Mehr Waffenhilfe für die Ukraine, kein Stopp für russisches Gas

EU-Sondergipfel in Versailles zeigt große Einigkeit gegen Russland, beschließt aber nur wenig Neues

Von Eric Bonse, Brüssel

Klare Kante gegen Russland, mehr Waffen für die Ukraine – aber kein Blitzbeitritt und kein Energieembargo: Die Europäische Union hat sich vor dem Hintergrund des immer brutaleren Kriegs im Osten Europas neu aufgestellt.

Bei einem Sondergipfel in Versailles gaben die 27 EU-Staaten dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Alleinschuld an der militärischen Eskalation. Putin wurde aufgefordert, den von ihm ausgelösten Krieg sofort zu beenden. „Russland und sein Komplize Belarus tragen die volle Verantwortung für diesen Angriffskrieg“, heißt es in der Gipfelerklärung. Die Verantwortlichen müssten „für ihre Verbrechen“ zur Verantwortung gezogen werden. Dies gelte vor allem für Attacken auf Zivilpersonen und zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Schulen.

Der Ukraine wurde erneut mehr Unterstützung zugesagt. So will die EU weitere Waffenlieferungen im Wert von bis zu 500 Millionen Euro einfädeln. „Ich habe vorgeschlagen, unseren Beitrag um 500 Millionen Euro zu verdoppeln“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Das Geld soll aus der sogenannten Friedensfazilität kommen – einem Finanztopf außerhalb des EU-Budgets, der ursprünglich für Friedensmissionen gedacht war. Nun wird er für tödliche Kriegswaffen genutzt. Allerdings ist unklar, welche Waffengattungen die EU finanzieren will.

Borrell hatte vor zwei Wochen angekündigt, dass man auch Kampfjets an die Ukraine liefern könne. Polen hatte sich zur Lieferung bereit erklärt. Doch die USA haben den Vorschlag zurückgewiesen; auch in der Nato gibt es massive Bedenken. Denn mit der Lieferung von Kampfjets steigt das Risiko, dass die Nato in den Krieg gezogen wird.

Einen Dämpfer bekam die Ukraine auch bei der Frage eines schnellen EU-Beitritts. Bei ihrem Treffen im Spiegelsaal von Versailles, in dem Gastgeber Emmanuel Macron auch schon Putin empfangen hatte, sagten die EU-Granden lediglich eine zügige Prüfung des Beitritts­antrags zu. Die Ukraine sei „Teil unserer europäischen Familie“, heißt es in der Gipfelerklärung. „Wir werden unsere Verbindungen stärken und unsere Partnerschaft vertiefen, um der Ukraine auf ihrem europäischen Weg zu helfen“, erklären die EU-Chefs, ohne sich festzulegen.

Eine Absage erteilte die EU der Forderung aus Kiew und Washington, einen sofortigen Importstopp für Gas und Öl aus Russland zu verhängen. Dagegen sprachen sich vor allem Deutschland und Österreich aus. Russland liefert Deutschland 55 Prozent seines Bedarfs an Naturgas. Bei einem Embargo wäre die deutsche Energieversorgung nicht mehr gesichert, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Man wolle den Krieg mit harten Wirtschaftssanktionen stoppen, die Strafen sollten jedoch möglichst geringe Auswirkungen auf Deutschland und die EU haben.

Rückendeckung bekam Scholz von Österreichs Kanzler Karl Nehammer. „Österreich kann jetzt nicht sagen, wir verzichten auf russisches Erdgas, denn wir brauchen es“, sagte der konservative Politiker. Für einen schnellen Ausstieg sprachen sich Polen, Litauen und Lettland aus.

Streit gab es in Versailles auch über die Folgekosten des Kriegs – etwa durch die geplante massive Aufrüstung oder die rapide steigenden Energiepreise. Macron sprach sich für die gemeinsame Finanzierung durch einen neuen EU-Fonds aus, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.