Fairness auch im eigenen Laden?

DISCOUNTER Fair Trade zieht es in die Supermärkte. Vom Massengeschäft profitieren die Produzenten, während Gewerkschafter hiesige Arbeitsbedingungen kritisieren

Rund ein Drittel aller Produkte mit Transfair-Siegel gehen beim Discounter über den Ladentisch

VON VOLKER ENGELS

Schokolade, Säfte oder Kaffees aus fairer Erzeugung finden sich zunehmend in den Regalen regulärer Supermärkte. Auch Discounter haben das lohnende Marktsegment für sich entdeckt und nehmen fair gehandelte Produkte in ihr Sortiment auf. Und dass, obwohl Billiglebensmittel und faire Preise für Erzeuger auf den ersten Blick ein natürlicher Gegensatz zu sein scheinen. So liefern sich die Discounter seit Jahresbeginn einen heftigen Preiskampf, in dem sie die Preisschraube für Lebensmittel immer weiter nach unten drehen. „Die Produzenten fair gehandelter Waren haben vor allem ein großes Interesse daran, dass ihre Produkte gekauft werden“, sagt Hans-Christoph Bill vom Branchenverband Forum Fairer Handel. Dabei gelten gerade Supermärkte und Discounter als Wachstumsmotor bei fair gehandeltem Kaffee, bei Orangensaft, Schokolade oder Bananen. „Wenn ein großer Discounter mit fair gehandelten Kaffees einsteigt, gibt es gleich tausende Verkaufsstellen, die den Kaffee absetzen.“ So hat zum Beispiel Aldi Süd, das Ende August drei fair gehandelte Kaffees im Rahmen eines Aktionsangebotes ins Sortiment aufnahm, nach eigenen Angaben in West- und Süddeutschland 1.740 Filialen. „Je mehr Verkaufsstellen es gibt“, so Bill, „desto besser ist das für die produzierenden Kleinbauern.“

Auf der anderen Seite räumt Bill ein, dass das Ansehen von Billiglebensmitteln, wie sie häufig beim Discounter verkauft werden, nicht recht mit dem Fair-Trade-Image in Einklang zu bringen ist: „Fairer Handel wird bei den Verbrauchern mit Qualität verbunden, und das darf sich auch nicht ändern.“

Wie wichtig Discounter für den Absatz sind, unterstreicht auch Claudia Brück vom Verein Transfair, der sein Siegel für fair gehandelte Produkte vergibt. Zu den 36 Mitgliedern von Transfair gehören unter anderem die Deutsche Welthungerhilfe, die Friedrich-Ebert-Stiftung sowie der Evangelische Entwicklungsdienst. „Rund ein Drittel aller Produkte mit Transfair-Siegel gehen beim Discounter über den Ladentisch, Tendenz steigend“, sagt die Sprecherin. Sechzig Prozent der Bevölkerung gingen regelmäßig zum Discounter, um dort den Einkaufswagen zu füllen. Verbraucher können sich also beim Billiganbieter an den Anblick fair gehandelter Lebensmittel gewöhnen. So richtig in Schwung gekommen sei der Absatz fair gehandelter Produkte, seit Discounter wie Penny, Norma oder Lidl zertifizierte Waren in ihr Sortiment aufgenommen haben, so Brück: „Discounter wie Aldi Süd, die im Rahmen zeitlich begrenzter Aktionswochen fair gehandelte Produkte verkauften, probieren vermutlich aus, ob sich diese Waren gut abverkaufen.“ Eine Stellungnahme von Aldi-Süd gibt es nicht: Die Pressestelle ist telefonisch nicht zu erreichen, eine schriftliche Anfrage blieb unbeantwortet.

Der Discounter Lidl hat 2006 begonnen, Fair-Trade-Produkte unter der Eigenmarke Fair Globe zu listen. „Der Kunde kann auf diese Weise aktiv die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in den Produktionsländern beeinflussen und verbessern“, sagt Lidl-Sprecherin Petra Tabert. Mit der Kundenresonanz sei man „zufrieden“. Während die Produzenten ordentlich für ihre Leistung bezahlt werden und Preise erzielen, die über denen des Weltmarktes liegen, müssen sich die Verkäufer jedoch bei manchem Discounter mit Niedrigstlöhnen zufrieden geben, gewerkschaftliches Engagement der Mitarbeiter ist nicht erwünscht oder wird sogar aktiv behindert. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di fordert schon seit Jahren plakativ „faire Bedingungen auch im Verkauf“. Die Einhaltung von sozialen Standards müsse nicht nur bei der Produktion, sondern auch im Verkauf sichergestellt werden, so die Gewerkschaft im Rahmen ihrer „Lidl-Kampagne“.

Claudia Brück von Transfair sieht trotzdem in erster Linie die Chancen für die Produzenten, denen man „den Vertriebsweg Discounter“ erschließen müsse: „Wir wollen vor allem für die Länder des Südens Marktzugänge schaffen.“