: In Monkes wilder Höhle
Der Osnabrücker Bildhauer Herbert Rauer alias Monke zieht Bilanz. Seine Retrospektive in einer Ex-Dönerbude zu veranstalten, passt zu ihm. Aber die Kunsthalle wäre angemessener
Von Harff-Peter Schönherr
Von außen wirkt Monkes Atelier wie eine Festung. Ein schrundiges, graues Stahltor voller Graffiti. Winzige, vergitterte Fenster, die jeden Blick abblocken. Eine Klingel, die aussieht, als sei sie außer Betrieb. Wer sie drückt, liest zugleich Monkes wirklichen Namen: Herbert Rauer. Später, in seinem verlieshaften Keller, gefüllt mit Erinnerungen, wird Monke die Geschichte erzählen, wie es zu diesem seltsamen Namen gekommen ist: Monke.
Aber erst mal beginnen wir oberirdisch. Mit einer Zeitreise durch seine Kunst. Es ist eine Reise durch eine wilde, bizarre, oft sehr düstere Welt, eine Welt der Skurrilitäten und Sarkasmen, des subversiven Hintersinns. Monke liebt die Provokation, die bitterschwarze Morbidität. Skulpturen aus bemaltem Alu-Blech umgeben uns. Gewaltige Leinwände. Keramiken, Tuschezeichnungen. Sie hängen, liegen, stehen überall. Wer nichts Obszönes verträgt, schließt besser die Augen. „Probier mal!“, sagt Monke und stellt sich vor einen Spiegel. Betrachtet sich.
Bananen, Wurst und Marmor
Und dann ist da plötzlich, schockhaft, augenblickskurz kein Spiegelbild mehr. Nur dieser Totenschädel, blutrot. Wer diesen Anblick aushält, weiß: Du stirbst, während du noch lebst. Monkes höhlenhaftes Atelier wirkt chaotisch, hat aber Ordnung. Wer ein bisschen sucht, entdeckt schnell die Arbeiten, nach denen die drei Akte der Retrospektive benannt sind, die Monke von März bis Juni in einen Ex-Dönerpavillon in Osnabrücks City improvisiert: „Alles Banane“, „Hot Love“ und „Vergiss es“.
Die Banane ist raumhoch, ein beklemmendes, surreales Monster aus Alustreckgitter und synthetischem Gips, aus dessen tentakelhaften Schalenstreifen ein gewaltiges Rückgrat aufragt, mit Rippen und Brustbein. Die heiße Liebe ist ein Wortkreuz, gemeißelt aus schwarzem Diabas, einem untermeerischen Vulkangestein. Und das Vergessen greift uns in der Latexmaske „Ich 2056“ ans Herz. Mit der hat sich Monke um 50 Jahre gealtert für seinen „Closed Eyes“-Zyklus aus monumentalen, tiefschwarzen Keramikreliefs von Augenlidern.
In einem früheren Leben war Monke Steinmetz, Steinbildhauer. „Da machst du dann Madonnen, Tag für Tag“, sagt er und lehnt sich an seinen silbrigen Brennofen. Aber wer je eines seiner „Hautbilder“ gesehen hat, herausfordernde Nacktheit, sinnlich, hoch sexualisiert, weiß: Mit Gewöhnlichkeiten, Spießigkeiten, Süßlichkeiten hat Monke nichts im Sinn. Hart wird es bei ihm, bohrend. Tabus gibt es nicht.
Ein Ölgemälde von Monke hat in der Geschichte der taz eine Rolle gespielt. Es lenkte in der Ausgabe vom 9. März 1988 die Blicke auf eine von Sabine Vogel, Gabriele Riedle, Harald Keller und Helmut Höge gestaltete Seite. Die protestierte laut Vogel „gegen die Qual des Internationalen Frauentages“. Das Bild zeigt den Unterleib einer Frau, die mit einer Banane masturbiert.
Im feministischen Diskurs der 1980er war eine empowernde Lesart dieses Gemäldes nicht mehrheitsfähig. Die Seite wurde zur Pornoseite erklärt und veranlasste das Frauenplenum, den zweiten Frauenstreik der taz zu beschließen. Der fand am 10. März 1988 statt.
Warum Monke macht, was er macht? Er denkt nach lächelt, feinnervig. „Ich hab’halt immer experimentiert.“ Das trifft‘s. Da ist dieser madenzerfressene Körper mit den leeren Augenhöhlen. Da sind die fleischfarbenen Keramiken „Fette Masse“, die irgendwas zwischen Sumo-Ringer und Eingeweide zeigen. Da ist die Quadriga vom Brandenburger Tor, die Monke als Miniatur nachmodelliert hat, im Auftrag der Stadt Berlin. „Die Dinger wurden dann im Pergamon-Museum in vergoldeter Bronze an Typen wie Erdoğan und Hamid Karzai verschenkt“, winkt er ab. „Da stand dann deren ganzes Gefolge rum, Bodyguards und so. Total schräg.“
Im Jahr 2009 kommt das, was Monke seinen „Durchbruch“ nennt: Die Rekonstruktion des 1944 zerstörten Ceresbrunnens von Ulfert Jannsen, für die Stuttgarter Markthalle, aus Majolika. Ein gewaltiger Auftrag. Monke macht sich selbstständig. Wer heute seine Werkstoffe auflisten will, trifft auf Neon Sandstein, Marmor, Silikon und Fleischwurst. Wer sich in Monkes Atelier bewegen will, braucht Körperbeherrschung. Klemmzwingen und Spanngurte, Gipseimer und Gummihandschuhe, Spraydosen, Ohrenschützer, Scheinwerfer. Alles eng an eng, dicht an dicht. Schränke, Schubladen, Regalbretter bis an die Decke. Töpfchen, auf denen Sachen stehen wie „Umbra-Grün“ und „Spinell-Schwarz“, „Aushärtungsbeschleuniger“ und „Dichtungshanf“. Dazwischen ein Kinski-Kopf in Silber, ein erigierter Penis in Gold, ein Mops in Neonblau.
Viele, viele Arschlöcher
Dazwischen, hoch oben an der Wand, ein fast fotorealistischer Handschlag zwischen Johannes Paul II. und Fidel Castro. Dazwischen skulpturale Gesichter mit aufgerissenen Mündern und panischen Augen. Dazwischen ein Megafon und ein Stapel Verkehrskegel, eine selbstgebaute schwarze Geige. Monke macht einen uralten Spielekarton auf. „Babuschka“ steht drauf. „Da sind jede Menge Arschlöcher drin!“, sagt Monke, und das stimmt auch. Ganz wörtlich. Schön modelliert. „Gibt halt viele Arschlöcher auf der Welt!“, sagt Monke. Und dass die Absauganlage gerade kaputt ist. „Brauchst du für Quarzstaub!“ Dann geht es runter in den Keller. Die Treppe ist eng und steil und gewunden und beginnt gleich hinter der Tür. Wer den Kopf nicht einzieht, prallt unten auf Schaumstoff. Dunkel ist es hier unten, in den Eingeweiden. Trommeln stapeln sich hier, ein Keyboard, ein Mischpult, ein Verstärker mit Mikro drauf. Alles schon ein bisschen verstaubt, aber alles doch sehr lebendig. „Hier kannst du richtig Krach machen!“, sagt Monke. Man merkt: Er mag das, auch sinnbildlich. Außerdem experimentieren manche seiner Arbeiten mit Sound.
Im Teufelskreis der Scheiße
Hier unten steht auch der „Teufelskreis der Scheiße“, knapp einen Quadratmeter groß: Ein flammend roter, triumphierend lächelnder Hörnerträger, um ihn eine Gloriole aus Kothaufen. „Gibt halt viel Scheiße“, sagt Monke. Und dann, plötzlich, ist da diese Toilette, mitten im Raum. Sieht fast aus wie ein Kunstwerk, ist aber keins.
Nebenher erzählt Monke, wie das kam, mit seinem seltsamen Namen: „Ich war das jüngste von sechs Kindern. Bei Weitem das jüngste. Also hieß ich Mon petit, mein Kleiner. Das hat sich irgendwie verselbständigt.“ Monke ist ein Charakterkopf, und viele wie ihn gibt es nicht. Unbeugsam wirkt er, rebellisch, dünnhäutig, hellsichtig. Man spürt: Monke hat nicht nur Schönes gesehen; und jetzt zieht er Bilanz.
Von Berlin bis Hamburg hat Monke ausgestellt, von Frankfurt am Main bis Köln. Aber Osnabrück hat ihn nie so richtig zu schätzen gewusst. Klar, der Dönerpavillon ist witzig für eine Rückschau, aber zugleich ist er winzig. Die Schätze aus Monkes wilder Höhle würden eine große Schau in der örtlichen Kunsthalle füllen. Verdient hätte er’s.
„Monke – Retrospektive in drei Akten“; Teil I: „Alles Banane“, Vernissage 19. 3., Osnabrück, Dielingerstr. 21, bis 22.4.; Teil II: „Hot Love“, 23. 4. bis 13. 5.; Teil III: „Vergiss es“, 14. 5. bis 10. 6.
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