„Das war einfach zu faschistisch“

Am Internationalen Frauentag hatte Guatemalas Parlament ein striktes Anti-Abtreibungs-Gesetz verabschiedet. Jetzt wurde es nach großem Druck zurückgenommen, doch Abbrüche bleiben verboten

Selbst Frauen mit Fehlgeburten hätten nach dem Gesetz kriminalisiert werden können

Von Bernd Pickert

Im zentralamerikanischen Guatemala ist überraschend ein Gesetz zurückgezogen worden, das die Strafen für Abtreibungen drastisch erhöht, gleichgeschlechtliche Ehen kategorisch ausgeschlossen und jegliche Behandlung nicht-heteronormativer Sexualität im Unterricht unter Strafe gestellt hätte. Das Gesetz hatte ausgerechnet am Internationalen Frauentag, dem 8. März, mit konservativer Mehrheit das Parlament passiert.

Nach dem Gesetz wären Frauen, die Abtreibungen an sich selbst vornehmen oder vornehmen lassen, mit Haftstrafen von mindestens fünf bis maximal zehn Jahren belegt worden. Frauenorganisationen kritisierten, das Gesetz öffne auch die Türen für die Kriminalisierung von Frauen, die ohne Eingriff eine Fehlgeburt erlitten.

Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare sollten grundsätzlich ausgeschlossen und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften jede Möglichkeit zur Adoption von Kindern genommen werden. Partnerschaft sollte ausschließlich als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau definiert werden. Damit ermuntere das Gesetz indirekt zu Gewalttaten gegen queere Menschen, kritisierten Menschenrechtsorganisationen.

Schon am 8. März selbst und seit der Verabschiedung des Gesetzes hatte es in Guatemala-Stadt mehrere Demonstrationen von Frauenorganisationen und queeren Bewegungen gegeben. Mehrere internationale Organisationen verurteilten das Gesetz – Amnesty International forderte sein sofortiges Fallenlassen. Die oppositionelle Minderheit im Parlament zweifelte an der Verfassungskonformität, und der staatliche Menschenrechtsobmann Jordán Rodas nannte das Gesetz eine Verletzung verschiedener Rechte und einen „Rückschritt für die Freiheit“.

Das Gesetz war mit 101 von 160 Stimmen im Parlament angenommen worden – fast alle Abgeordneten der Vamos-Partei von Präsident Alejandro Giammatei hatten dafür gestimmt. Im Text hieß es, es gebe in Guatemala minoritäre Gruppen, die Lebensentwürfe propagieren würden, die „der natürlichen Ordnung der Ehe und Familie und der christlichen Moral zuwiderlaufen, die gesellschaftliche Moral untergraben und damit den Frieden gefährden“. Einen Tag später ließ sich Giammatei bei einem großen Treffen christlicher „Lebensschützer*innen“ feiern, die Guatemala zur „Lebensschutz-Hauptstadt Iberoamerikas“ erklärten.

Umso überraschender kam der Aufruf Giammateis am 10. März, das Gesetz auf Eis zu legen. Sollte es ihm zur Unterschrift vorgelegt werden, werde er es per Veto stoppen, erklärte der konservative Präsident. Es verstoße gegen Guatemalas Verfassung, verletzte internationale Abkommen, die Guatemala unterzeichnet habe, und verletze wesentliche Rechte. Am Dienstag stimmte der Kongress nunmehr darüber ab, das Gesetz zurückzuziehen – eine Debatte wurde nicht zugelassen, aber 119 Abgeordnete stimmten für die Einmottung.

Erneut hatten Hunderte Personen vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt gegen das Gesetz protestiert. „Dieses Gesetz war einfach zu faschistisch gestaltet“, sagte Alma Chacón vom Rat für Sexuelle und Reproduktive Rechte der Agentur AFP, „es schien aus dem Mittelalter zu kommen.“ Allerdings, warnte sie, bedeute seine Rücknahme nicht das Ende konservativer Anti-Abtreibungs-Politik.

Tatsächlich hätte das neue Gesetz zwar höhere Haftstrafen und die Verurteilung von Frauen mit Fehlgeburten ermöglicht – aber außer bei Gefahr für das Leben der Mutter sind Abtreibungen auch weiterhin grundsätzlich verboten.