Arroyo regiert nicht mehr mit Gloria

Die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo steckt in der schwersten Krise ihrer Amtszeit

BANGKOK taz ■ Gestern haben in Manila erneut mehrere tausend Demonstranten den Rücktritt der philippinischen Präsidentin Gloria Arroyo gefordert. Die Wut der Protestierenden richtete sich unter anderem gegen die gestrige Erhöhung der Mehrwertsteuer, die das chronische Staatsdefizit mindern soll.

Die Proteste treffen Arroyo zu einer Zeit, in der ihre politische Glaubwürdigkeit stark angekratzt ist. Am Mittwochmorgen hatte Arroyo angekündigt, ihr Ehemann Jose Miguel („Mike“) werde „freiwillig das Land verlassen“, um weiteren Schaden von seiner Frau abzuwenden. Oppositionskreise werfen ihm und anderen Familienmitgliedern Korruption vor. Eindeutige Beweise fehlen bislang. Zudem wurde „Mike“ beschuldigt, hinter Telefonaten mit einem Wahlkommissar zu stecken, mit denen versucht wurde, die Wahlergebnisse zu manipulieren.

Diese Flucht nach vorn werten Beobachter als reine „Kosmetik“: Arroyo habe in Wahrheit ein Legitimitätsproblem, kritisierte die Zeitung Philippine Daily Inquirer. Selbst politische Freunde Arroyos, darunter ihr früherer Sicherheitsberater Roilo Golez, sagen, sie habe die „moralische Autorität“ verloren, das Land zu regieren. Am Donnerstag war Agrarminister Arthur Yap, ebenfalls ein enger Weggefährte Arroyos, nach Vorwürfen der Steuerhinterziehung zurückgetreten.

Schon bevor Arroyo am Montagabend gestand, im Mai 2004 unmittelbar nach Schließung der Wahllokale mit dem hohen Mitglied der Wahlkommission, Virgilio Garcillano, telefoniert zu haben, hatte der Anwalt Oliver Lozano gegen sie ein Amtsenthebungsverfahren beantragt. Bis zu Arroyos Rede waren dem Antrag Lozanos, der einst Diktator Ferdinand Marcos und bis zu dessen Tod in diesem März den Wallert-Entführer „Commander Robot“ vertrat, kaum Chancen eingeräumt worden. Dies könnte sich jetzt ändern.

Arroyo hatte indirekt eingeräumt, dass die Frauenstimme in jenem Telefonmitschnitt sehr wohl die ihre sein könnte. Obwohl Arroyo dies weder explizit bestätigte noch dementierte, gab sie ein Telefonat mit Garcillano zur fraglichen Zeit zu. In dem Mitschnitt fragte die Frau, ob Arroyos Vorsprung unter eine Million Wählerstimmen fallen könnte. Zwar ist es Kandidaten auf den Philippinen nicht verboten, mit der Wahlkommission zu sprechen. Doch die Opposition wertet das Telefonat als Aufforderung an den als käuflich geltenden Garcillano, Arroyo zu einem größeren Sieg zu verhelfen.

In ihrer Fernsehansprache an die Nation sprach Arroyo von einer eigenen „Fehleinschätzung“, blieb aber die Antwort schuldig, warum sie drei Wochen brauchte, um ihr Schweigen zu brechen. Ihr Vorgänger Joseph Estrada, der nach einem von der Amtskirche und dem Militär gestützten Massenprotest 2001 wegen Korruption aus dem Amt gejagt worden war und seitdem hinter Gittern sitzt, forderte Arroyo auf, sich für ihr Verhalten vor Gericht zu verantworten.

Noch steht die politische Elite des Landes hinter ihr. Hochrangige Angehörige von Polizei und Militär versicherten Arroyo ihre Loyalität. Doch ihre Popularität nahm schon vor den gestrigen Steuererhöhungen drastisch ab: In einer Umfrage des Forschungsinstituts Social Weather Stations äußerten sich 59 Prozent der Befragten mit ihrer Amtsführung unzufrieden, nur 26 Prozent waren zufrieden.

Allerdings besteht das Manko der ebenfalls wenig glaubwürdigen Opposition darin, keine populäre Alternative bieten zu können. Ihr aussichtsreichster Kandidat bei der letzten Wahl, der politisch unerfahrene Fernando Poe jr., starb vergangenen Dezember an einem Schlaganfall. Trotzdem wird das Repräsentantenhaus wohl nächste Woche ein Komitee einrichten, das die Vorwürfe gegen Arroyo untersuchen soll. NICOLA GLASS