Nichts ist verloren

FOTOGRAFIE Von der Vielgestalt der Verlassenheit: Eine Ausstellung in Hamburg zeigt „Lost Places“. Und erinnert daran, wie sehr es sich lohnt, abseits des Üblichen zu schauen

Das Grand Hotel in Mosambik, der Blick in die grün schimmernde Nacht; Kreuzungen, über die immer wieder die gleiche, grün bemäntelte Frau schlendert; die unendlich detaillierte Aufnahme von einer Müllkippe in Brasilien: Die Möglichkeiten, die Überschrift „Lost Places“, verlorene Orte, mit Leben zu füllen, sind zahlreich. So lässt sich die derzeit laufende Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle auch sehen: als Reservoir an Ideen, Blickrichtungen, Motiven, die eines gemeinsam haben – sie sind nicht Mainstream, nicht im oberflächlichen Sinn schön.

Hier und dort inszenieren sie sogar, Thomas Demand etwa mit seiner aus Papier nachgebauten Bushaltestelle, schaffen also Wirklichkeit neu. Dass sich vor der Halle die drinnen gezeigte Kunst fortzusetzen scheint – ein bärtiger Kerl schlief friedlich auf dem Treppenzwischenbau – war wohl eher Zufall.

Was ist die Lehre, die Botschaft dieser phantastischen Sammlung? Es gibt keine langweiligen Fotos, und es gibt keine unwichtigen Motive. Wer will, kann das auch in die Wirklichkeit übertragen: Es lohnt sich, Blicke zu weiten, sie wegzunehmen von Postkartenidyllen und Schema F.

Sorgfältig gehängt, ja inszeniert, werden die Fotos in Hamburg nun durch Videos und Installationen ergänzt. Lang ist die Liste der vertretenen Künstler: Andreas Gursky mit seinen Brasilien-Bildern, Sarah Schönfeld mit ihrer Dokumentation verfallender Vorwendebauten, auch Omer Fast mit seinen Nostalgia-Filmen.

Überaus sympathisch ist, dass sich diese Ausstellung keinesfalls im Schnelldurchgang erschließt, ja dass sie eigentlich sogar auffordert zum Wiederkommen und zum Nachsehen. Und, den einen oder anderen zumindest, zum anderen Fotografieren. Nicht versäumen!FRANK BERNO TIMM

„Lost Places. Orte der Photographie“: bis 23. September, Hamburg, Kunsthalle