Zwischen Skylla und Charybdis

EU Politiker sind erleichtert: Ein Sieg der Linken ist abgewendet. Ist der Euro jetzt gerettet?

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Alles außer Alexis Tsipras. Das war das Motto der EU-Politiker vor der „Schicksalswahl“ in Griechenland. Nun macht sich in Brüssel Erleichterung darüber breit, dass der Führer der radikalen Linken es nicht geschafft hat. Bei der Wahl am Sonntag war Tsipras nur auf den zweiten Platz gekommen. „Das Schlimmste ist uns erspart geblieben – zumindest für sechs Monate“, sagt etwa der liberale Europapolitiker Jorgo Chatzimarkakis. Bis dahin hätten alle Parteien „versprochen, dass die Reformen angepasst werden“, so der Liberale

Doch Freude will so recht nicht aufkommen. Denn nun muss die EU ausgerechnet mit Antonis Samaras verhandeln – dem Mann, der sich noch vor sechs Monaten beharrlich weigerte, auf einen harten Sparkurs einzuschwenken (siehe Porträt auf Seite 4). Nun soll Samaras die neue Regierung bilden, die ein weiteres, noch härteres Spardiktat umsetzen muss.

Dass das klappt, ist alles andere als sicher. Die Steuereinnahmen sind in den Athener Chaoswochen massiv eingebrochen, die Kapitalflucht hat sich bedrohlich beschleunigt, ein Run auf die Banken eingesetzt. Dass die neue griechische Regierung noch im Juni neue milliardenschwere Kürzungen beschließt, wie ursprünglich gefordert, ist in dieser Lage undenkbar. Die nächste Hürde kommt schon am 20. Juli, wenn ihr ohne neue Hilfen das Geld ausgeht.

Wenn die internationale Troika dann den Daumen senkt und frische Kredite verweigert, geht das griechische Schuldendrama von Neuem los. Die Wahl in Athen hat den Eurorettern eine Atempause verschafft, an den Problemen hat sich nichts geändert. Außerdem ist Griechenland schon nicht mehr der einzige Problemfall. Was als kleines Feuer in Athen begann, hat sich längst zu einem Flächenbrand in ganz Südeuropa ausgeweitet.

Vor allem Spanien und Italien stehen unter massivem Druck der Finanzmärkte, der nicht zuletzt durch die Krise in Athen verstärkt wird. Die Zinsen für spanische und italienische Staatsanleihen sind in den letzten Tagen so hoch gestiegen, dass sie für die Regierungen zum Problem werden. Gestern kletterten die Renditen für spanische Staatsanleihen sogar über die „Todesschwelle“ von 7 Prozent.

Eine weitere Sorge der EU gilt den Banken. Sollten die Bankkunden in Südeuropa heute und in den nächsten Tagen in großem Umfang Geld von ihren Konten abheben, könnte dies noch schlimmere Folgen haben als ein politisches Chaos in Athen. Bisher ist die EU nämlich noch nicht gegen einen „Bankenrun“ in Griechenland oder in den anderen Krisenländern gewappnet. Wenn alle gleichzeitig ihre Konten plündern, bricht der Euro zusammen – trotz des glimpflichen Ausgangs der Wahl in Griechenland.

Kommissionschef Barroso will beim EU-Gipfel Ende Juni zwar eine Bankenunion mit gemeinsamer Einlagensicherung und Haftung vorschlagen, doch bisher ist Deutschland strikt dagegen. Ausgerechnet Merkel blockiert die derzeit wichtigste Euroreform. Und selbst wenn Berlin das Veto zurückziehen sollte, könnte die Bankenunion frühestens 2013 in Kraft treten. Griechenland wäre damit also nicht mehr geholfen, Spanien und Italien auch nicht. Die Zitterpartie um den Euro geht weiter, auch ohne Berlins Lieblingssündenbock Tsipras.