Ungewissheit hat eine Ende

Seit 2021 kämpft Raheel Afzal um humanitäres Bleiberecht. Jetzt hat es der Schwerbehinderte erhalten

Von Sara Guglielmino

Die Ungewissheit hat endlich ein Ende für Raheel Afzal. Monatelanges Warten, zwei Härtefallanträge und einen Regierungswechsel später erhält der schwerbehinderte 33-Jährige aus Pakistan ein humanitäres Bleiberecht. Afzal lebt seit 2014 in Deutschland und leidet an schwerer Epilepsie sowie an psychischen und kognitiven Beeinträchtigungen. Deswegen gilt er mit einem Grad von 70 Prozent als schwerbehindert. „Bei Herrn Afzal wurde versäumt, sich adäquat um ihn zu kümmern“, sagt Lynn Klinger, Sozialberaterin bei der psychosozialen Beratungsstelle für politisch Verfolgte Xenion. Damit meint Klinger beispielsweise einen behindertengerechten Deutschkurs oder eine behindertengerechte Beschäftigung.

Obwohl Afzal seit August 2021 ein Praktikum bei der Stephanus-Stiftung in Berlin absolviert und Aussichten auf eine Festanstellung hatte, sollte er im Oktober 2021 abgeschoben werden. Sein Fall wurde zwar von der Härtefallkommission beraten und sogar positiv entschieden, das letzte Wort lag allerdings beim ehemaligen Innensenator Geisel (SPD). Dieser lehnte das Bleiberecht ab. Das wollten Afzal und sein Unterstützerkreis nicht hinnehmen. Dr. Sabine Speiser war Härtefallberaterin beim Flüchtlingsrat und engagiert sich mittlerweile ehrenamtlich für Afzal. „Seine Geschichte steht nur exemplarisch für viele weitere ähnliche Schicksale“, sagte sie der taz im Januar.

Nach der drohenden Abschiebung im Oktober war Raheel Afzal suizidgefährdet und verbrachte deswegen sechs Wochen in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses. Im vergangenen Dezember wurde Afzals Fall erneut von der Härtefallkommission beraten, welche sich noch einmal für ein humanitäres Bleiberecht für ihn aussprach.

Diesmal lag die endgültige Entscheidung aber nicht mehr bei Geisel, sondern bei der neuen Innensenatorin Iris Spranger (SPD), die seit Dezember 2021 im Amt ist. Für die Berliner Flüchtlingspolitik war die Entscheidung eine Bewährungsprobe und verschafft einen Eindruck, wie die Innensenatorin in Zukunft mit humanitären Härtefällen umgehen könnte. Geisel nahm nämlich sowohl 2018 als auch 2019 laut Jahresberichten der Härtefallkommission rund 75 Prozent der Empfehlungen der Kommission an, woraufhin ein humanitäres Bleiberecht erteilt wurde.

Am Dienstag informierte Speiser den gesamten Unterstützerkreis – und die taz – darüber, dass Spranger die Empfehlung der Kommission angenommen hat. Die Pressestelle der Senatsverwaltung für Inneres nannte als Begründung, dass „seit dem Sommer 2021 ein sichtbarer Fortschritt hinsichtlich Afzals Integration“ zu verzeichnen sei.

Für Raheel Afzal beginnt nun ein neues Leben ohne Angst vor Abschiebung und mit einer seinen Ansprüchen gerechten Integration ins Arbeitsleben. Die Stephanus-Stiftung möchte Afzal fest einstellen, wie sie der taz bereits im Oktober mitteilte, und bemüht sich nach eigenen Angaben um eine geeignete Stelle. Mittlerweile besucht Afzal einen behindertengerechten Deutschkurs.