Fernes Fernsehspiel

Die LoFi-Doku „Alias Alejandro“ erzählt von einem, der auszieht, seinen Vater zu finden (ZDF 0.10 Uhr)

Das kleine Fernsehspiel auf großer Reise. Und das einmal nicht hinein in die Lebenswelten und Alltäglichkeitsillustrationen bundesdeutscher Filmhochschulabsolventen, nicht zu den Leinensneakers und Fransenfrisuren. Das kleine Fernsehspiel begibt sich heute um kurz nach Mitternacht auf eine Spurensuche nach Peru. Einem Land zwar nicht vor, aber zumindest neben unserer Zeit. Aber Zeit – gerade das zeigt der augenscheinlich preisgünstig realisierte Film „Alias Alejandro“ genauso eindringlich wie einleuchtend – ist ohnehin ein relativer Begriff.

Der Reisebericht des deutsch-peruanischen Filmemachers Alejandro Cárdenas-Amelio ist ein emanzipatorischer Film. Nur dass es hier nicht das Kind ist, das gegen die Eltern, gegen den Vater aufbegehrt. „Alias Alejandro“ erzählt von einem Vater, der sich irgendwann einmal davon gemacht hat. Der einen anderen Weg gegangen ist. „Alejandro, du wirst dich bestimmt fragen, wer ist dieser Typ, der es wagt, dich Sohn zu nennen, geliebter Sohn sogar“, so beginnt ein Brief, den dieser Vater dem 22-jährigen Filmstudenten schreibt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Alejandro Cárdenas-Amelio keinen Kontakt zu Peter Cárdenas, dem im Hochsicherheitsgefängnis verwahrten Terroristen. Dem Staatsfeind, der einem peruanischen Fernsehpublikum bevorzugt im Käfig präsentiert wird. Wie ein wildes, böses Tier. Anhand von Nachrichtenbildern beginnt Cárdenas-Amelio sich dieser Vaterfigur zu nähern. „Bin ich der Sohn eines peruanischen Bin Laden? Oder eines Che Guevara, eines Freiheitskämpfers?“ Der Sohn beginnt, das eigene Leben neu zu sortieren. Auf einmal ist da ein fremder Mensch, der ganz unmittelbar die eigene Existenz erschüttert. Der wenig übrig lässt von der Ordnung, in der sich sein Leben gerade eben noch befand.

Cárdenas-Amelio macht sich mit seiner Kamera auf in das Land des Vaters, das Land der eigenen Geburt, dass ihm, dem in Deutschland Aufgewachsenen, doch völlig unbekannt ist. „Ich mache mich auf eine Reise, diesen Geist, der sich mein Vater nennt, zum Leben zu erwecken.“ „Alias Alejandro“ dokumentiert eine ungemütliche, ungewisse Fahrt, gerade weil Alejandro Cárdenas-Amelio die eigenen Ängste ungefiltert in den Fokus seiner Kamera stellt. In seinem Film ist kein Platz für Helden, weder als Vater noch als Sohn. Nur Alejandros Stiefbruder wird den gemeinsamen Vater, den Linksterroristen, einmal einen „Hero“ nennen. Und für einen Moment merkt man, wie froh der junge Filmemacher ist, dass zwischen ihm und dem Vater zumindest in diesen 94 Filmminuten eine Kamera steht. Es ist genau diese Distanz, die ihm eine schmerzhafte Annäherung ermöglicht. Und einen sehenswerten Dokumentarfilm. clem