BRUTALER PAKETDIENST
: Du störst

„Ich mach dich fertig, du lahme Sau“, rief er

Heute Ebay, morgen Amazon: Fragen sich die Leute, die ständig im Netz einkaufen, wer die Pakete zu ihnen bringt? Und wie viel die armen Teufel der Paketdienste dabei verdienen? Wie lange sie jeden Tag mit ihren Lieferwagen herumkutschieren? Da das Sein das Bewusstsein bestimmt, dürfte der Job brutal sein – anders ist nicht zu erklären, dass Paketdienstfahrer selbst dann durch Wohngebiete heizen, wenn am Straßenrand Kinder spielen.

So dachte ich, als ich das Paketdienstfahrzeug sah, das auf der Hauptstraße heranraste. Dann bog ich, gerade aus dem Getränkemarkt in meiner Stadtrandsiedlung kommend, mit meinem Auto auf die Hauptstraße ein und beschleunigte sanft. Ein Lichthupengewitter im Rückspiegel war die Folge, aber das war mir egal. Kurz darauf bog ich ab auf den großen Supermarktparkplatz. Das Paketauto folgte mir. Sollte ich eine Überraschung kriegen?

Kaum war ich ausgestiegen, sprang ein Furcht erregender Kerl aus dem Lieferwagen: kurzhaarig, groß, tätowiert, muckibudengeformt. Aus seinem Auto drang schrammelige Grölmusik, wie sie Rechtsradikale gerne hören. „Ich mach dich fertig, du lahme Sau“, rief er und schubste mich mit beiden Armen an mein Auto.

„Hey Sie da“, rief ich laut einem Rentnerpaar auf dem Parkplatz zu, „Sie sind Zeuge, wie der Mann hier mich gewalttätig angeht!“ Es wirkte. Der Angreifer ließ von mir ab und hielt inne; wahrscheinlich wurde ihm bewusst, dass er seine Arbeit aufs Spiel setzte, wenn er – leicht identifizierbar – auf mich einprügeln würde. „Idioten wie du stören nur“, brüllte er mich an. „Ich mach doch nur meinen Job.“

Rasch stieg er in seinen Transporter und gab Gas. Mit zitternden Knien ging ich in den Supermarkt. Auch ein Scheißjob rechtfertigt nicht, ein Arschloch zu sein, dachte ich. Dann machte ich mich auf die Suche nach Tomatenmark. RICHARD ROTHER