nebensachen aus manila
: „Hello Garci“ oder: Wenn die mutmaßliche Präsidentin dreimal klingelt

Der Schaffner im Überlandbus nach Davao auf der südphilippinischen Insel Mindanao ist nur halb bei der Sache. Während er die Tickets locht, fummelt er ständig mit einer Hand an seinem Handy. Er kommuniziert per SMS und vergisst dabei fast, das Wechselgeld herauszugeben. Schon wieder beantworten seine flinken Finger eine neue SMS. Auf zehn Kilometern schafft er vier Nachrichten.

Auch die Mobiltelefone anderer Mitreisender zeugen durch ihr ständiges Gepiepse vom großen Kommunikationsbedürfnis. Zum Telefonieren nutzt dagegen fast niemand das Handy. Dies ist für die arme Landbevölkerung im Vergleich zum „Texten“ per SMS viel zu teuer.

Der Schaffner mit dem flinken Daumen ist typisch für heutige Menschen in den Philippinen. Oft hören Gesprächspartner beim Interview nur mit halbem Ohr zu, weil sie unterm Tisch dauernd an ihren Handys rumfummeln. Längst gehört das Piepsen beim SMS-Eingang zum Sound des Landes. „Wäre Texten olympische Disziplin, würden wir endlich mal eine Goldmedaille gewinnen,“ ist sich eine philippinische Freundin sicher.

Längst wirkt sich diese Art der Kommunikation auf das politische Leben aus. War Mao Tse-tung noch überzeugt, dass die politische Macht aus den Gewehrläufen kommt, so kommt sie in den Philippinen heute aus den Handy-Displays und Klingeltönen. Sollte es dazu nicht reichen, zeigt sich dort zumindest der Humor der Machtlosen. Schon beim Sturz von Präsident Joseph Estrada 2001 wurde zu Manilas Demos, die ihn zum Rücktritt zwangen, per Rund-SMS mobilisiert. Beim letzten Wahlkampf setzten die Präsidentenkandidaten „Textbrigaden“ ein – Leute, die nichts anderes zu tun hatten, als sich SMS-Sprüche auszudenken und sekundenschnell an hunderttausende Handynummern zu verschicken.

In den Philippinen, wo es angeblich 30.000 Nichtregierungsorganisationen (NGO) gibt, war es deshalb nur eine Frage der Zeit, bis eine entsprechende SMS-NGO gegründet wurde. Inzwischen gibt es die von linken Aktivisten gegründete Organisation TXTPower. Sie ist mit etwas Glück gerade dabei, Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo zu stürzen.

Die wird beschuldigt, sich ihren Wahlsieg 2004 gekauft zu haben. Ob das stimmt, ist nicht erwiesen. Doch tauchte ein Tonband auf, auf dem eine Arroyo-ähnliche Stimme nach Schließen der Wahllokale ein Mitglied der Wahlkommission namens Virgilio Garcillano (aka: Garci) anruft und sich erkundigt, ob sie wie besprochen mit einer Million Stimmen Vorsprung gewinnen wird. Garci versichert der Anruferin, alles dafür zu tun. TXTPower stellte den mit Musik unterlegten Mitschnitt als herunterladbaren Handyklingelton auf seine Homepage. Der „Hello Garci“ genannte Sound der mutmaßlichen Präsidentin wurde nach Angaben der Organisation eine Million Mal heruntergeladen.

So war Arroyo, die die Affäre aussitzen wollte, gezwungen einzuräumen, dass sie in der Tat mit „Garci“ telefonierte, wobei sie nicht sagte, ob die Klingeltonstimme ihre ist. Um sie zu stürzen, wird es deshalb noch tausender SMS bedürfen, es sei denn, Arroyos Textbrigade schafft es, die Hoheit über Displays und Klingeltöne zurückzugewinnen.

Endlich hat der Bus sein Ziel erreicht und das SMS-Gepiepse der Fahrgäste ein Ende. Ein Schild warnt am Straßenrand: „Nicht Texten beim Überqueren der Straße“. Auf dem lebensrettenden Hinweis prangt das Logo des Sponsors – ein Handyhersteller aus Finnland. Pieps. SVEN HANSEN