berliner szenen
: Sie weiß, wo es langgeht

Als Vater bin ich eine Niete. Zum Glück bin ich keine Mutter. Die sollen es noch schwerer haben.

Umzingelt von jugendlichen Menschen stehe ich am frühen Samstagabend in der Schlange vor der Teststation und mach mir meine Gedanken. Vielleicht der beste Moment, um sich als Vater ein bisschen infrage zu stellen. Erst neulich musste ich einmal Nein! sagen und war bei meiner Jüngsten unten durch. Die Jüngsten verstehen das Wort nein nicht mehr in seiner ursprünglichen Bedeutung. Sie empfinden es als gedankenlos, wenn nicht gar als respektlos.

Warum ich glaubte, unbedingt Nein sagen zu müssen, scheint mir entfallen zu sein. Ich weiß nur noch, es hatte etwas mit einer dieser Teststationen zu tun. Es herrschte ein großer Andrang. Wenn ich ehrlich zu mir bin – einmal im Monat kann ich nicht anders –, erinnere ich mich, wie ich mich selbst hinten in die endlose Testschlange einreihte, obwohl ich eben noch Nein zu der Bitte meiner Tochter, mich anzustellen, gesagt hatte. Aber warum ließ ich das mit mir machen? Ich muss mir mehr Mühe geben und Grenzen setzen. Nach meinem Nein!hatte mich meine Jüngste mit genervtem Augenrollen stehen gelassen, als sei ich einer der Loser, von denen sie öfter erzählt.

Natürlich ist sie hochmütig. Wer war das nicht in ihrem Alter. Aber wenn ich jemandem meine Zukunft anvertrauen müsste, dann würden nicht die Namen Habeck, Scholz oder Lindner fallen, dann würde ich mich allein an sie halten. Denn sie weiß, wo es langgeht. Und was gut für sie ist, weiß sie auch.

Jetzt fällt mir wieder ein, warum ich neulich eine halbe Ewigkeit allein in der Schnelltestschlange stand. Meine Jüngste hatte gefragt, ob ich mich kurz für sie anstelle, bis sie ihr Smartphone von zu Hause geholt hatte.

Henning Brüns