berliner szenen
: Kinder­döner? Echt jetzt?

Ich stehe in der Schlange im Dönerladen und will meiner Tochter und mir Falafel holen, weil ich mal wieder so gar keine Lust zum Kochen habe. Vor mir bestellt ein Mann einen Kinderdöner. „Kinderdöner?“, fragt der Mann hinter dem Tresen. „Also einen halben Döner. Als alter Mensch kann man nicht mehr so viel essen.“ „Ach so, geht klar“, sagt der Dönermann und nickt. „Salat alles und welche Sauce?“ „Keine Zwiebeln und Sesamsauce, bitte“, bestellt der Mann. „Macht dann 2 Euro“, sagt der Dönermann. „Ich warte da drüben, bis er fertig ist, ja?“

Ich bin dran, bestelle zwei Falafel, zahle und stelle mich an die Seite des Tresens zum Warten.

Hinter mir kommen drei Jungs herein. Sie sind vielleicht 13, haben kleine niedliche Gesichter, wollen aber alle sehr böse aussehen mit ihren Kapuzenhoodies und Bomberjacken. Sie stellen sich extra breit hin und stemmen die Hände in die Hüften. „Digga, du hast nie Kohle. Wie oft noch?“, fragt der Große mit der schwarzen Kapuze. Der mit der weißen Kapuze guckt ausdruckslos auf die Salatauslage. „Ohne fünf Euro darfste gar nicht das Haus verlassen“, sagt der Kleinere mit der schwarzen Kapuze, „braucht man immer fürn Döner zum Überleben.“ Ich grinse unter der Maske.

„Kinderdöner?“, ruft der Mann hinter dem Tresen. Die drei Jungs gucken entsetzt, einer sagt: „Ey nee. Wir brauchen richtige Döner, Mann.“ Der ältere Mann kommt, nimmt den Kinderdöner entgegen und drückt dem mit der weißen Kapuze ein paar Geldstücke in die Hand. „Hier“, sagt er, „ich lad dich ein.“ Der Junge ist so verdattert, dass er den Mann nur anstarrt. Die anderen beiden bedanken sich mehrmals, selbst der Dönermann sagt Danke. Der mit der weißen Kapuze sagt jetzt: „Echt mal, Danke.“ Beim Rausgehen winkt der ältere Mann und sagt: „Schon gut. Ich weiß noch gut, wie das war.“ isobel markus