Bernd Müllender
Eingelocht
: Warum 2120 alle Deutschen auf dem Grün stehen

BREAKING NEWS aus gegebenem Anlass müssen wir kurz unterbrechen. Eigentlich war heute der letzte Teil der Serie über die gefährlich persönlichkeitsveränderte Psyche bei übermäßigem Golfen geplant. Dieser dritte Teil folgt nun Ende Februar. Aber die aktuellen Zahlen, die der Deutsche Golf Verband (DGV) jetzt veröffentlichte, elektrisieren einfach über alle Maßen.

Golf, ein Sport für Minderheiten? Von wegen. Schon in knapp 100 Jahren werden alle gut 82 Millionen BundesbürgerInnen den Schläger schwingen. Dann nämlich, wenn die Entwicklung anhält wie 2021: Um satte 3,5 Prozent hat die Zahl der KlubspielerInnen zugenommen, auf nunmehr 674.000. Setzt sich das fort, stehen wir im Jahr 2120 alle auf dem Grün.

2020 waren es noch 2,4 Prozent Anstieg. Rechnet man den dynamischen Anstieg auf eine Steigerungsrate von 3,5 Prozent ein, steigt die Zahl der Golfenden 2022 um 5,2 Prozent und so weiter – dann stehen wir alle schon in elf Jahren am Abschlag.

Keine Frage, die Pandemie hat Draußensportarten gutgetan, Golf ist vorn dabei. Unbestreitbar biete diese Disziplin, so der Verband jetzt, die „perfekten Voraussetzungen für eine weitgehend coronasichere Sportausübung“; Golf ist wie der neue Nationalsport Spazierengehen, nur eben mit Spielzeugen. Golf sei „Wandern mit Sinn“, definieren seit jeher alle jenseits der Alpenvereine. Turnklubs haben im vergangenen Jahr 7 Prozent Mitglieder verloren. Bald wird man vergessen haben, wer Turnvater Jahn war.

Folgen bleiben nicht aus. Erste Quersportler-Kundgebungen prangern an: Wird hier im Zeichen der Umvolkung die preußisch-turnerische Tradition der alten Leibesübungen systematisch vernichtet? Steht stattdessen Zwangsgolfen an, eine Schwungpflicht? Hoho, dieser Bill Gates ist doch auch Hobbygolfer und lebt seit seiner Scheidung in einem Golfresort, von fliegenden Bällen wie selbst gezüchteten Viren umgeben. Werden bei den Impfungen längst Fremdgene eingeschleust, die uns zu willenlosen Einlochern machen? Werden bei Corona­spaziergängen bald Golfschläger mitgeführt, um sie öffentlich zu zertrümmern?

Der DGV schweigt dazu. Stattdessen hüpfte das Jubelvokabular von atemberaubend zu exorbitant, von positiver Dynamik zu Allzeithoch. Bei Jugendlichen sei die Steigerung um 6,6 Prozent sogar weit überdurchschnittlich. Auch Germany’s Gendergolf ist vorn: In keinem anderen europäischen Land spielen anteilig so viele Frauen (36 Prozent). Zudem erreicht die Zufriedenheit der Golfplatzbetreiber Rekordwerte. Und kein Land hat bei den Nichtprofis so viele Titel und Medaillen einsammeln können wie Deutschland. Nur, Golf wird immer gefährlicher. Wo mehr Bälle fliegen, fliegen sie versehentlich auch häufiger falsch. Die Folge: Verletzungen, klirrende Fensterscheiben, zerbeultes Auto­blech. 240.000 Euro zahlten Versicherungen zuletzt im Jahr für Ballschäden – und das waren nur die, die anerkannt wurden. Denn Assekuranzen, so der DGV, zögen sich gern mit der frechen Begründung aus der Verantwortung, bei einem abgerutschten Ball liege keine Schuldhaftigkeit vor, sondern nur ein Zu- oder Unfall.

„Der Ball ist hart“, betont der DGV-Vorstand und stellt eine neue Haftpflichtversicherung vor, die wirksam alle Mitspieler und Glasscheiben schützen soll. Motto: „No risk, more fun.“ Alles also bleibt besser. Und bald werden sich Golfers for Future gründen, die die DGV-Kooperationen mit mittlerweile drei Landesregierungen unterstützen. Mit dem „Qualitätsmanagement Golf & Natur“ geht es um Biodiversität, Naturschutz und Klimarettung auf den 720 Plätzen. Blühe, deutsches Golferland!