Krank sein wird noch teurer

GESUNDHEIT Der Kostendruck in den Krankenversicherungen nimmt durch die Krise zu. Die Versicherten werden künftig mehr selbst bezahlen müssen

BERLIN taz | Wer die jüngsten Meldungen über das Gesundheitssystem liest, könnte meinen, die Krise ginge an Kassen, Kliniken, Ärzten und Unternehmen nahezu spurlos vorbei. Zu Beginn der vergangenen Woche verkündeten die gesetzlichen Krankenkassen einen Milliardenüberschuss für das erste Halbjahr, und die niedergelassenen Ärzte können sich in der stärksten Rezession seit Gründung der Bundesrepublik über Honorarsteigerungen freuen. Ist das mal gescholtene, mal hoch gelobte deutsche Gesundheitssystem also sicher vor den Auswirkungen der Wirtschaftskrise? Nein. Es erweist sich zwar als erstaunlich robust, aber vielen Bürgern könnte das dicke Ende der Krise noch bevorstehen.

Das liegt an der Finanzierung des Systems. Das Geld für die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Deutschland entstammt vor allem diesen drei Quellen: den Krankenkassenbeiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Steuerzuschüssen. Die Bundesagentur für Arbeit hofft zwar, dass die Arbeitslosenzahl dieses Jahr unter 4 Millionen bleiben wird – und damit niedriger, als von anderen Experten befürchtet. Trotzdem gilt: Wenn weniger Personen in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen, kann der zu Jahresbeginn installierte Gesundheitsfonds auch nur weniger ausschütten.

Gleichzeitig wächst aber der Bedarf an Gesundheitsleistungen. Denn je älter die Bevölkerung wird, desto mehr Medikamente, Untersuchungen und Operationen wird sie brauchen. Kurzum: Gesundheit wird auf lange Sicht teurer, und die gegenwärtige Krise verschärft die Situation.

Derzeit lindert die Bundesregierung diesen Kostendruck durch eine simple Maßnahme: Sie pumpt Steuergelder in den Gesundheitsfonds, aus dem die gesetzlichen Kassen seit Jahresbeginn nach einem komplizierten Verteilungsschlüssel ihre Gelder erhalten. Allein 2009 liegt dieser Bundeszuschuss bei 7,2 Milliarden Euro, im kommenden Jahr soll er auf 11,8 Milliarden Euro steigen.

Was folgt aus alldem für die Mitglieder der gesetzlichen Kassen? Sie werden sich darauf einstellen müssen, noch mehr Gesundheitsleistungen teilweise oder vollständig selbst bezahlen zu müssen. Denn um bei wachsenden Ausgaben die Beiträge stabil zu halten, werden die Krankenkassen den Gesetzgeber dazu drängen, dass ihre Mitglieder für Medikamente, Hilfsmittel oder Rehabilitationen künftig noch mehr zuzahlen müssen Auch die Zahl der teuren Krankenhausaufenthalte wird weiter sinken. Die Diskussion darüber, was medizinisch notwendige Versorgung ist, wird in Zukunft noch härter geführt werden.

MATTHIAS LOHRE