Latzhosen statt Schwesternkittel

Oft sind die Aufstiegschancen für junge Frauen im Handwerk besser als in typischen Frauenberufen. Der Verein Lila bietet in diesem Bereich Ausbildungsplätze an und vermittelt Genderkompetenz

VON KATHI PREPPNER

Manchmal sind Probleme in der Familie schuld, manchmal liegt es an mangelndem Selbstvertrauen: Lernschwierigkeiten können ganz unterschiedliche Ursachen haben. Betroffene Jugendliche und junge Erwachsene werden vom Jobcenter oft in Ein-Euro-Jobs gesteckt. Wenn sie aber Glück haben, landen junge Frauen bei Lila, einem Zusammenschluss der Bildungsträger Land in Sicht Ausbildungsprojekte e. V. (Lisa), Life e. V. und dem Ausbildungs- und Kulturcentrum e. V. (AKC). Lila bietet Hilfe – und eine Berufsausbildung.

Elektronikerin, Fahrradmonteurin, Bootsbauerin, Goldschmiedin, Damenschneiderin und Modenäherin: Für diese Berufe lassen sich zur Zeit 66 junge Frauen zwischen 16 und 24 Jahren bei Lila ausbilden. Dabei lernen sie nicht nur ihr jeweiliges Handwerk. „Viele der jungen Frauen haben das Lernen verlernt“, sagt Anja Wolff von Life. „Wir wollen sie wieder motivieren. Die praktische Arbeit kann ihnen Selbstvertrauen geben.“

Gerade auch die Arbeit in Berufen, die allgemein nicht als frauenspezifisch gelten. „Frauen müssen nicht immer Krankenschwestern oder Friseurinnen werden. Im Handwerk haben sie oft bessere Aufstiegschancen“, sagt die Sozialpädagogin. Und auch dort seien Kreativität und Kundenfreundlichkeit gefragt.

In vermeintlichen Männerberufen erwerben die Handwerkerinnen neben sozialen Kompetenzen eine weitere Zusatzqualifikation: Anja Wolff nennt sie Genderkompetenz. Während ihrer Betriebspraktika, die Teil der Ausbildung sind, arbeiten die jungen Frauen oft nur mit Männern zusammen. Dort lernen sie, sich durchzusetzen und zu zeigen, was sie können. Schließlich würden sie laut Anja Wolff ihr Handwerk genauso gut beherrschen wie die Männer – die das nur allzu oft ungerechtfertigt in Zweifel ziehen.

Dennoch sind die typischen Frauenberufe immer noch beliebter. Um den angehenden Auszubildenden auch die anderen Berufsbilder näher zu bringen, bietet Lila Schnuppertage an. Dabei müssen kleine praktische Aufgaben bewältigt werden. Und so manche Teilnehmerin ist besonders stolz, ein eigenhändig gebautes Verlängerungskabel mit nach Hause zu nehmen – ein erster Schritt in Richtung Selbstvertrauen und Selbstständigkeit.

So weit kommen viele aber gar nicht. Denn Lila fördert Frauen mit erhöhtem Hilfebedarf – allerdings muss das Jugendamt diesen erst einmal feststellen. Das scheitere häufig schon daran, dass die Frauen nicht bis zum Jugendamt kommen, sagt Doreen Märten, Sozialpädagogin von Lisa. „Welche junge Frau setzt sich denn hin und sagt: Ich hab die und die Lernbehinderung und außerdem familiäre Probleme? Jugendliche finden oft erst den Weg hierher, wenn Erwachsene sie unterstützen.“ Daher begleitet sie die Jugendlichen meistens in die Jugendämter.

Diese ziehen sich aber immer mehr aus der Jugendausbildung zurück, beklagt Märten. Häufig bewillige die Jugendhilfe keine Mittel und verweise die jungen Arbeitssuchenden an die Jobcenter.

Seitdem es Lila gibt, ist es möglich, das Jugendamt zu umgehen: Die drei Berliner Bildungsträger bieten in den Bezirken Treptow-Köpenick, Schöneberg und Mitte zusammen insgesamt so viele Ausbildungsplätze an, die aus Landesmitteln finanziert werden, dass sie Geld aus dem Europäischen Sozialfonds beantragen konnten. Mit diesen Mitteln werden weitere Plätze finanziert.

So wie der von Alina Lober. Seit Februar macht die 24-Jährige eine Ausbildung zur Bootsbauerin. Vor zwei Jahren ist sie aus Rumänien nach Berlin gekommen. Ihr rumänischer Abschluss wurde ihr hier nicht anerkannt. Außerdem erschweren ihr Angstzustände das Lernen. Aber bei Lila fühlt sie sich wohl: „Hier ist immer jemand für mich da. Mein Deutsch ist besser geworden und mein Selbstbewusstsein auch.“

Zum Ausbildungsbeginn im September sind noch Plätze frei. Informationen dazu bei Anja Wolff unter der Telefonnummer 30 87 98 26 und unter www.life-online.de/deutsch/projekt.html