Oppositioneller in Aserbaidschan im Hungerstreik

Saleh Rustamow protestiert gegen seine Haft. Diese sei politisch motiviert. Nun ist er in Lebensgefahr

Von Barbara Oertel

Saleh Rustamow schwebt in Lebensgefahr. Seit dem 6. November befindet sich der inhaftierte aserbaidschanische Oppositionelle im Hungerstreik; seit vergangenem Montag verweigert er auch die Aufnahme von Flüssigkeit. Mittlerweile habe er 16 bis 17 Kilogramm an Gewicht verloren. Er könne kaum noch sprechen und nachts vor Schmerz nicht schlafen, sagte Bahruz Bayramow, einer seiner Anwälte, der ihn vor wenigen Tagen besuchte.

Der 59-Jährige, der Anfang der 1990er Jahre am ersten Krieg um Bergkarabach teilgenommen hatte, gehörte nicht immer zur Opposition. 1992–1993 war er unter dem damaligen Präsidenten Abulfaz Elchibey und dessen regierender Partei Volksfront Aserbaidschans (PFPA) Verwaltungschef der Region Gedebek.

1997 ging er nach Russland, ließ sich dort als Geschäftsmann nieder und erhielt die russische Staatsbürgerschaft. In der Folge schickte er mehrmals Geld nach Aserbaidschan, um in Schwierigkeiten geratene und verfolgte Mitglieder der PFPA (seit 1993 in der Opposition) zu unterstützen.

Bei einem Besuch Aserbaidschans im Mai 2018 aus Anlass einer Beerdigung wurde Rustamow festgenommen. Neun Monate später wurde er unter anderem wegen Drogenschmuggels und illegaler geschäftlicher Aktivitäten zu sieben Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Be­ob­ach­te­r*in­nen sprachen von einem politisch motivierten Verfahren.

Anfang November 2021 verabschiedete das aserbaidschanische Parlament ein Gesetz, demzufolge Teilnehmer des ersten und zweiten Krieges um Bergkarabach in den Genuss einer Amnestie kommen sollten. Rustamows Name fehlte auf der Liste.

Schicksale, wie das von Saleh Rustamow, sind in Aserbaidschan kein Einzelfall. Unter dem autokratischen Präsidenten İlham Alijew werden Kri­ti­ke­r*in­nen systematisch mundtot gemacht. Derzeit sitzen 122 politische Gefangene in der Südkaukasusrepublik ein.

Mit dem siegreichen Krieg Aserbaidschans gegen den Nachbarn Armenien um Bergkarabach 2020 erfreute sich Alijew, auch in den Reihen der Opposition, zunächst einer wachsenden Popularität. Doch dieser Burgfrieden scheint beendet zu sein.

Am 1. Dezember hielten Dutzende Un­ter­stüt­ze­r*in­nen in der Hauptstadt Baku eine friedliche Solidaritätskundgebung für Rustamow ab. Mehr als 40 Teil­neh­me­r*in­nen wurden festgenommen und zusammengeschlagen. Fünf davon wurden zu 15 bis 30 Tagen Administrativhaft verurteilt. Tofig Yagublu, einer der Vorsitzenden der PFPA, wurde auf einer Polizeiwache schwer misshandelt. Danach sei er an den Stadtrand von Baku gefahren und dort hilflos zurückgelassen worden, berichtete das unabhängige Nachrichtenportal Jam News. Am Dienstag dieser Woche kündigten sieben Oppositionelle an, aus Solidarität mit Rustamow ebenfalls in einen Hungerstreik treten zu wollen.