Ex-Minister wird Bahnkontrolleur

Rechtzeitig vor der Bundestagswahl setzt die Regierung ihren früheren Wirtschaftsminister Werner Müller an die Spitze des DB-Aufsichtsrats. Damit durchkreuzt sie Pläne von CDU und FDP, die einen Gegenpol zu Bahnchef Mehdorn installieren wollen

VON STEPHAN KOSCH

Der frühere Bundeswirtschaftsminister Werner Müller soll neuer Aufsichtsratschef und damit oberster Kontrolleur der Deutschen Bahn AG werden. Mit dem Vorgang vertraute Kreise gingen gestern im Gespräch mit der taz davon aus, dass Müller, der bereits Mitglied des Aufsichtsrats ist, auf der heutigen Sitzung des Gremiums die Nachfolge von TUI-Chef Michael Frenzel antreten wird. Frenzel will nach einem Konflikt mit dem Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn nicht mehr kandidieren.

Mit dieser Personalie durchkreuzt die Bundesregierung Pläne von CDU und FDP, dem Bahnchef einen starken Kontrolleur aus dem schwarz-gelben Lager gegenüberzustellen. Müller ist zwar parteilos, darf aber wegen seines früheren Ministeramts und seines jetzigen Postens als Vorstandsvorsitzender des Bergbaukonzerns RAG zweifelsfrei als SPD-nah bezeichnet werden.

Dementsprechend verhalten fällt auch die Reaktion der CDU aus: „Ich halte es nicht für klug, dass der Verlauf der Bundestagswahl nicht abgewartet wird“, sagte der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer der taz. Müller sei eine „reine SPD-Wunschbesetzung, die auch dem Wunsch des Vorstandsvorsitzenden entspricht“.

Die CDU hat bei der Besetzung des Postens – noch – kein Mitspracherecht, die Mitglieder der Arbeitgeberseite werden von der Hauptversammlung, sprich den Vertretern der Bundesregierung, für fünf Jahre gewählt. Und auch Bahnchef Mehdorn hat noch einen Vertrag bis 2008.

Damit ist ein Streit zwischen der voraussichtlich künftig CDU-geführten Bundesregierung und dem Schröder-Vertrauten Mehdorn vorprogrammiert. Denn Mehdorn will im Falle eines Börsenganges das Schienennetz im dann privatisierten Konzern behalten. CDU und FDP haben sich hingegen dafür ausgesprochen, dass die Infrastruktur staatliches Eigentum bleibt. Um dieses Ziel zu erreichen, wäre es unklug, über den Aufsichtsratschef vor Amtsantritt den Stab zu brechen. „Wenn Müller will, ist er ein starker AR-Vorsitzender“, sagt Fischer deshalb diplomatisch. „Wir müssen aber wieder dahin kommen, dass der Aufsichtsrat das Management kontrolliert und nicht umgekehrt.“

Für Heidi Tischmann vom Verkehrsclub Deutschland ist klar, dass auch die CDU in einer vergleichbaren Situation nicht anders gehandelt hätte. Dennoch betont auch sie, dass „die Besetzung wichtiger Posten nicht über das Knie gebrochen“ werden sollte. Und auch mit der Person Müller als Aufsichtsratschef hat der Verband seine Probleme. Das Gremium sollte geleitet werden von jemandem, der Ahnung von der Bahn hat und auch die ökologischen Fragen sieht, sagt Tischmann. „Müller ist vor dem Hintergrund seiner Energiepolitik ein Mann von gestern.“

Dass der Kohle-Fan und frühere Veba-Manager überhaupt die Gelegenheit hat, den Chefposten zu übernehmen, liegt an einem Streit zwischen Mehdorn und dem bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Frenzel. Hintergrund war der Verkauf der TUI-Kesselwagentochter VTG an eine französische Investorengruppe, die das Geschäft dort bereits mit dem Bahnkonkurrenten SNCF betreibt. Frenzel hatte sich aus den Verhandlungen herausgehalten, um sich nicht dem Vorwurf der Kungelei auszusetzen. Die Bahn hatte sich nämlich ebenfalls für den Kauf interessiert, ging bei dem Deal aber leer aus.

Besser lief es für Mehdorn zu Beginn des Jahres. Da hatte die Bahn die RAG Bahn und Hafen GmbH übernommen, eine Tochter des von Müller geleiteten RAG-Konzerns. Müller selbst war zwei Monate zuvor als Nachfolger des verstorbenen früheren WestLB-Chefs Friedel Neuber in den Aufsichtsrat der Bahn berufen worden.