Übermut erzeugt Fehler

Handballbundesligist Hannover verliert knapp gegen Hamburg. Kritik nimmt Trainer Christian Prokop entspannt zur Kenntnis

„Wir haben Christian Prokop nicht als Feuerwehrmann geholt“

Sven-Sören Christophersen, Sportchef TSV Hannover-Burgdorf

Von Frank Heike

Wieder nichts, wieder knapp. Der TSV Hannover-Burgdorf verlor am Wochenende die Bundesligapartie gegen den HSV Hamburg mit 23:25 (14:13). Der Abstiegskampf der „Recken“ ist zwar aktuell mit Tabellenplatz zwölf nicht mehr akut, aber ein verpatzter Saisonstart unter dem neuen Trainer Christian Prokop verhagelte ordentlich die Stimmung. Sportchef Sven-Sören Christophersen stellt sich vor seinen prominenten Übungsleiter, den ehemaligen deutschen Nationaltrainer: „Wir haben Christian nicht als Feuerwehrmann geholt. Es geht darum, etwas nachhaltig zu entwickeln. Dafür ist er genau der Richtige.“

Die Nachhaltigkeit verkörpern die frischen, deutschen Spieler – kein Klub hat mehr einheimische Jungprofis als Hannover. Und mit ihnen ist die Hoffnung verbunden, einer oder mehrere könnten eventuell den Sprung in die Nationalliga schaffen.

Am Samstagabend in Hamburg bot Prokop Mitte der zweiten Halbzeit Veit Mävers, Martin Hanne und Hannes Feise auf; die komplette „linke Seite“ des TSV stammte aus der eigenen Jugend. Mävers, 21 Jahre alt, spielte sogar durch. Mit ihm unterhielt sich Prokop auffallend oft; ein Hinweis zur Abwehrarbeit hier, ein Tipp zur Steuerung da.

Bonuspunkte gibt es aber keine für Klubs, die die Jugendarbeit ernst nehmen – dass die TSV unterlag, hatten auch mit zu viel Übermut zu tun: Als Hanne einmal überhastet vergab, stauchte ihn Evgeni Pevnov ordentlich zusammen. Pevnov, 32, einer der wortführenden Alterspräsidenten, der dafür sorgen soll, dass die Teile bei der TSV zusammenhalten. Am Samstag konnten die erfahrenen „Alten“ das hannoversche Fehlerfestival nicht verhindern: „Wir haben 25 schlechte Würfe fabriziert“, resümiert Prokop, „wir waren aus dem Rückraum nicht konkurrenzfähig.“

Es mag allerdings auch eine Frage der Kraft gewesen sein. Noch am Mittwoch hatte Hannover die Fans in der heimischen ZAG-Arena begeistert – beim 28:30 nach Verlängerung gegen Kiel fehlten der TSV nur wenige Sekunden zum Viertelfinale des DHB-Pokals. Zum ersten Mal in der Saison bewies die Mannschaft, dass sie mit den Großen mithalten kann.

Auf einem guten Weg schien der Verein schon in der Saison 2019/20 zu sein. Unter Trainer Carlos Ortega wurde Hannover Vierter; Spielmacher Morten Olsen gehörte zum Besten, was die Bundesliga zu bieten hatte. Doch finanziell gehört Hannover nicht zu den Top Sechs der Liga, und der Einbau von Talenten ist zwar verdienstvoll, aber selten von schnellem Erfolg begleitet. Ortega bildete tapfer die Nachwuchskräfte im Kader aus, klagte nicht, erreichte am Ende der vergangenen Saison aber nur Platz elf – und ging zum FC Barcelona.

Christian Prokop, der die Bundesliga aus seiner Leipziger Zeit kennt und dort mit unfertigen Spielern arbeitete, soll bei der TSV Jung und Alt verbinden, ein offensives Abwehrsystem einstudieren und das Tempospiel verbessern.Dass einem ehemaligen Bundestrainer nichts geschenkt wird, erlebte Prokop gleich zu Saisonbeginn: Beim 16:38 in Wetzlar blamierte sich seine Mannschaft. Am siebten Spieltag stand Hannover auf einem Abstiegsplatz. Damit war auch der Welpenschutz für Mävers, Hanne und Co. beendet. Sportchef Christophersen sagte: „Unsere Nachwuchsspieler, die schon eine Weile dabei sind, müssen auch den nächsten Schritt machen. Nur so kommen wir weiter.“

Mit Kritik umzugehen hat Prokop aus seiner Zeit als Bundestrainer gelernt. Er wirkt entspannt: „Ich habe einen Zwei-Jahres-Vertrag in Hannover unterschrieben. Es war klar, dass der Start schwierig werden könnte. Inzwischen haben wir einen sehr guten Trend hingelegt.“