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: Die Rache der Sennentuntschi

„Sukkubus – den Teufel im Leib“ (D 1989, Regie: Georg Tressler). Die aufwendige Edition ist in limitierter Auflage ab 35 Euro im Handel erhältlich.

Drei Männer im Gebirge: der Senn, der Hirt, der Handbub. Sie sprechen, aber nicht viel, kehlig-schweizerische Urlaute eher, sehr ländlich, manchmal mehr Grunzen als Reden. Die Landschaft ist prächtig, hinten in den Gletschern der Schnee, gleich am Anfang wird ein Ötzi gefunden, vorne die Wiesen, mal ist da Nebel, mal zieht ein Unwetter auf. Kühe gibt es, der Kühe wegen sind sie hier, in den Bergen, der Senn, der Hirt, der Handbub. Die Kühe werden gemolken, eine stürzt einen Abhang hinab, da liegt sie, tot, der Senn und der Hirt häuten sie. Später werden sie selber gehäutet.

Das Problem: Keine Frau weit und breit, notgeil sind die drei Männer, erst greift der Hirt sich bei Tisch in die Hose, dann will er sich am Handbub vergreifen, dann basteln sie sich im Suff eine Sexpuppe aus Stroh und Holz und Stoff. Keine gute Idee: Diese Sexpuppe beginnt, Menschengestalt anzunehmen, hüllenlos mehr oder minder, in diesem Fall die der italienischen Schauspielerin Pamela Prati. Sie hat milchige Augen, es steckt der Teufel in ihr. Das ist die Sennentuntschi, Ausgeburt männlicher Fantasie, gekommen, sich für ihren Missbrauch zu rächen. (Eine real existierende Legende, hier in Richtung Sexploitation gewendet.)

„Sukkubus – den Teufel im Leib“ ist ein merkwürdiger Film. Letztes Kinowerk des Regisseurs Georg Tressler, der jung große Erfolge mit Filmen wie „Die Halbstarken“ und „Das Totenschiff“ hatte, dessen Karriere sich dann aber in den Untiefen des deutschen Fernsehens verlor. Für Disney hat er 1960 das recht aufwendige Beethoven-Biopic „The Magnificent Rebel“ mit Karlheinz Böhm in der Rolle des Komponisten gedreht, mehr wollte Hollywood aber nicht von ihm wissen.

Tressler war vom italienischen Neorealismus geprägt, was man seinen frühen Filmen sehr wohl ansieht, dem späten „Sukkubus“ mit seinem stimmungsvollen Hirten-Dokumentarismus zunächst sogar auch. Mit deutscher Heimatfilmgemütlichkeit hatte das, was er wollte, von Haus aus gar nichts zu tun. Er geriet jedoch zu seinem, aber ganz sicher auch zum Unglück der deutschen Filmgeschichte zwischen die Stühle, als das deutsche Kino nach Oberhausen die siebte Kunst noch einmal anders und radikaler verstand. Und während also etwa Fassbinder 1974 ein Meisterwerk wie „Angst essen Seele auf“ drehte, ist in Tresslers Filmografie für dieses Jahr der pseudonym gedrehte „Ach jodel mir noch einen – Stoßtrupp Venus bläst zum Angriff“ verzeichnet.

„Sukkubus“ war dann noch einmal eine andere Sache. Mit Peter Simonischek (damals Mitglied des Berliner Schaubühnen-Ensembles, heute Burgtheater und weltberühmt als Toni Erdmann) hatte er einen großartigen Hauptdarsteller, mit Christoph Schlingensief einen nachmals auch nicht ganz unbekannten Regieassistenten. Der österreichische Haudegen hatte produziert, gemeinsam mit Franz Seitz, der auch das Drehbuch verfasste. Seitz ist auch so eine merkwürdige Figur, Erfolgsproduzent („Die Blechtrommel“), der als Regisseur nach Höherem (vor allem: Thomas Mann) strebte, für seine Verfilmungen, etwa von „Zauberberg“ oder von „Doktor Faustus“, jedoch regelmäßig Dresche bekam.

Der Senn und der Hirt häuten die tote Kuh. Später werden die beiden selber gehäutet

„Sukkubus“ ist eher Unikum als Meisterwerk, über Strecken aber atmosphärisch sehr stark und schön ungemütlich. Die Sennentuntschi steht dann doch etwas unvermittelt mit rotem Strumpf und sonst wenig bekleidet in den Bildern und Bergen herum. Es ist die Sorte auf faszinierende Weise anrüchiger Film, an die die „Edition Deutsche Vita“ von Subkultur Entertainment ihre ganze Liebe verschenkt. Zu den offiziellen achtzig Minuten kommen hier unzählige Outtakes, auch ein Essay des Regisseurs Paul Poet. Völlig angemessener Versuch, die deutsche Filmgeschichte nicht gerade, sondern in die richtige Schräge zu rücken.

Ekkehard Knörer