Den vergessenen
Opfern

In Braunschweig erinnert bald eine neue Stele an die NS-Militärjustiz

Einweihungder Stele zur Erinnerung an die Opfer der NS-Justiz an der Gedenkstätte Braunschweig-Buchhorst. Der Termin wurde wegen des Brandanschlags kurzfristig von heute, 14 Uhr,

auf Januar verschoben.

Von Florian Beifuss

Es gleicht einer Sisyphos-Aufgabe, sagt Martina Staats, heute den Opfern der Militärjustiz unter dem NS-Regime nachzuspüren, und – wo möglich – ihre persönliche Geschichte zu rekonstruieren. Die Historikerin ist Leiterin der Gedenkstätte in der Justizvollzugsanstalt, dem früheren Strafgefängnis, in Wolfenbüttel.

Zwischen 1933 und 1945 war es die zentrale Haftanstalt im damaligen Freistaat Braunschweig und Teil eines Systems von Gefängnissen und Zuchthäusern, das ab 1939 weit über die Reichsgrenzen hinaus seine Schreckensmacht entfaltete. 1937 war bereits eine Hinrichtungsstätte eingerichtet worden – eine von 22 dieser Art im NS-Deutschland. Hier wurden 526 Todesurteile vollstreckt, durch den Strang oder die Guillotine.

Hinzu kommen wohl mindestens 25 Soldaten und Zivilisten, die in der Schießanlage im Braunschweiger Buchhorst exekutiert wurden. Dieser Schießübungsplatz war 1876 für die Garnison Braunschweig angelegt worden und wurde noch bis 1962 genutzt. Während des Nationalsozialismus diente der nördlichste der erhaltenen Kugelfänge der Hinrichtung von Fahnenflüchtigen und Widerstandskämpfern – so die Diktion der Militärjustiz oder des Volksgerichtshofs, die sie zum Tode verurteilten. Von fünf weiß Martina Staats genaue Lebensdaten: Otto Kauffelt (1915–1940), Leo Pionke (1922–1944), Walter Siebert (1920–1944) sowie zwei Belgier, Arnould van de Walle (1898–1944) und Marcel Wastelain (1906–1944).

Zum Gedenken aller 25 Personen ist nun eine erläuternde Stele veranlasst worden, Teil eines Konzeptes aus rund zwölf gekennzeichneten Orten, an denen etwa Strafgefangene aus Wolfenbüttel arbeiten mussten, darunter die Büssingwerke in Braunschweig oder die untertägige Rüstungsproduktion nahe Blankenburg am Nordharz. Im August wurde bereits eine Informations-Stele beim anatomischen Institut der Uni Göttingen eingeweiht: Dort bezog man zwischen 1939 bis 1944 für die medizinische Lehre 217 Leichen Hingerichteter oder Verstorbener aus dem Strafgefängnis Wolfenbüttel.

Noch vor ihrer Einweihung wurde die Stele geschändet – ein Brandanschlag zerstörte die Metalltafel, die Polizei ermittelt. Unter Aufbringung aller Kräfte wurde umgehend eine neue Tafel erstellt. „Wir weichen nicht zurück“, so das deutliche Signal von Martina Staats, „das sind wir den Angehörigen der Opfer schuldig, die viel zu lange vergessen und viel zu spät rehabilitiert wurden“. Trotzdem wurde die Einweihung kurzfristig verschoben – es soll als Reaktion auf den Anschlag ein „noch stärkeres Zeichen“ gesetzt werden. Der Termin soll „in einem größeren Rahmen“ stattfinden als jetzt geplant.