kritisch gesehen
: Ein frischer, sinnlicher und nie belehrender Beethoven

Wenn ein Ensemble mit internationalem Renommee in seiner 20. Saison Beethoven Klavierkonzerte einspielt, darf man Besonderes erwarten. Das Ensemble Resonanz wurde 1994 von Mitgliedern der Jungen Deutschen Philharmonie gegründet. Seit 2002 ist Hamburg Heimat der 18 Musiker:innen. Von hier aus hat sich das Ensemble in der Klassikszene einen hervorragenden Ruf als Kammerorchester erarbeitet.

Das Ensemble Resonanz ist nicht nur Ensemble in Residence der Elbphilharmonie, deren kleinen Saal es vor fünf Jahren eröffnete, es betreibt auch den architekturpreisgekrönten Resonanzraum St. Pauli im Bunker an der Feldstraße und bietet niedrigschwellige Nahmusikerfahrungen in Clubatmosphäre. Die Mu­si­ke­r:in­nen bespielen aber auch die Staatsoper und die soziokulturellen Zentren der Stadt. Und betreiben unter resonanz.digital einen eigenen Kanal im Netz. Durch die vielseitigen Programme und Formate, gefüllt mit Musik vom Barock bis hin zu Auftragskompositionen, gewinnen die Mu­si­ke­r:in­nen permanent neue An­hän­ge­r:in­nen in allen Altersklassen. Zum Jubiläum in Hamburg hat das Ensemble Resonanz eine CD mit zwei Beethoven-Klavierkonzerten, dem vierten und dem als sechstes Klavierkonzert bezeichneten, vorgelegt. Mit Letzterem ist Beethovens Transkription seines Violinkonzerts, opus 61a, gemeint.

Das Ensemble, das keinen eigenen Chef hat, arbeitet hierbei mit dem Dirigenten Riccardo Minasi zusammen. Er ist seit 2018 Artist in Residence des Ensembles. Gemeinsam haben sie bereits zahlreiche Konzertprogramme erarbeitet und ausgezeichnete Einspielungen aufgenommen. Minasi versteht es, eine historische Aufführungspraxis intelligent auf dieses ganz im 21. Jahrhundert verhaftete Orchester zu übertragen.

Er und der Pianist Gianluca Cascioli haben im Archiv der Musikfreunde Wien eine neue Fassung des vierten Klavierkonzertes mit einem alternativen Klavierpart erarbeitet. Dazu haben sie Beethovens handschriftliche Anmerkungen auf der Partiturabschrift ausgewertet. Der Klavierpart erscheint nun abwechslungsreicher und virtuoser als bei anderen Aufnahmen. Und auch wenn der Orchesterpart unverändert geblieben ist, so führt Minasi das Ensemble zu einem knackig frischen Streicherklang mit herrlichen Bläsersforzati. Die Besetzung mit modernem Klavier, modernen Streichern, Naturblech mit modernen Mundstücken und historischen Pauken erzeugt einen transparenten, aber nie akademisch klingenden Sound. Das klingt frisch, sinnlich und nie belehrend.

In Hamburg hat das Ensemble Resonanz viele Spuren hinterlassen. Seit einiger Zeit haben sie eine Tradition zum Jahresende etabliert, mit der sie auch die Jubiläumssaison ausklingen lassen: Am 17., 18. und 20. Dezember lassen sie jauchzen und frohlocken – mit ihrer eigenen Fassung des Bachschen Weihnachtsoratoriums als Hausmusik mit singenden Instrumentalist*innen, E-Gitarre und Hammondorgel. Jörn Schüßler

Ensemble Resonanz: Klavierkonzert Nummer 4 & 6 von Ludwig van Beethoven, erschienen auf CD bei Harmonia mundi, 16,99 Euro