Karsais Wahl wird immer mehr zur Farce

AFGHANISTAN Kommission ordnet Neuauszählung in fast jedem zehnten Wahllokal an. Endergebnis verzögert sich um Wochen

KABUL/BERLIN afp/taz | Wegen massiver Betrugsvorwürfe bei der afghanischen Präsidentschaftswahl sollen die Stimmen in fast jedem zehnten der 25.500 Wahllokale neu ausgezählt werden. Alle Provinzen seien betroffen, teilte die Beschwerdekommission (ECC) am Dienstag in Kabul mit. Vor einer Woche hatte die von den Vereinten Nationen unterstützte ECC die Wahlkommission (IEC) aufgefordert, alle Wahllokale zu nennen, in denen die Beteiligung bei 100 Prozent lag oder ein Kandidat mehr als 95 Prozent der Stimmen erhielt.

Nun müssten die Stimmen in 2.500 Wahllokalen noch einmal ausgezählt werden, in denen „eindeutige und überzeugende Beweise für Betrug“ gefunden worden seien, sagte ECC-Chef Grant Kippen. Ursprünglich sollte am Donnerstag das Endergebnis der Wahl vom 20. August veröffentlicht werden. Durch die Neuauszählung verzögert sich das auf unbestimmte Zeit. Er hoffe, dass der Vorgang in einigen Wochen und nicht erst in Monaten abgeschlossen sei.

Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen liegt Amtsinhaber Hamid Karsai mit 54,3 Prozent vor seinem stärksten Herausforderer, Exaußenminister Abdullah Abdullah. Letzterer prangerte Betrug an und fordert eine Stichwahl. Diese ist nur vorgesehen, sollte der Sieger die absolute Mehrheit verfehlen. Bei der ECC gingen tausende Beschwerden ein. Wegen Betrugs wurden bereits die Ergebnisse in 83 Wahllokalen annulliert, meist Karsai-Hochburgen.

Wegen der Verzögerung drohen jetzt ein Machtvakuum sowie Autoritätsverluste von Regierung und lokaler UN-Mission (Unama). In dieser wird offenbar heftig gestritten, wie mit der Situation umzugehen sei. Laut der britischen Times haben sich der UN-Gesandte, der Norweger Kai Eide und sein Vize, der US-Amerikaner Peter Galbraith, verkracht. Galbraith drängt auf einen zweiten Wahlgang, während Eide schon mit einigen Neuauszählungen zufrieden ist. Galbraith hat Afghanistan jetzt erstmal für drei Wochen verlassen. Derweil hat US-Generalstabschef Mike Mullen in Washington eine weitere Verstärkung der ausländischen Truppen in Afghanistan gefordert. HAN