Wohltaten vor der Wahl

Wulffs Kuschelhaushalt: Nur Polizisten und sozialer Wohnungsbau bluten. Tafelsilber wird verscherbelt

Trotz Sparwut wird Niedersachsen 2006 gut eine halbe Milliarde Euro mehr ausgeben. Das war nicht das einzige Paradoxon, das CDU-Ministerpräsident Christian Wulff gestern bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs für’s nächste Jahr verkündete. Wer vermutete, die schwarz-gelbe Landesregierung werde nach der Klausursitzung in Hildesheim Sparhämmer ausrufen, lag schief. Lieber hob Wulff hervor, dass die Landesbediensteten auch nach 2006 keine Einschnitte zu erwarten hätten. Weihnachtsgeld ist ohnehin schon gestrichen. Ach ja: Das Pensionsalter der Polizisten, die bislang mit 60 in Ruhestand gehen dürfen, wird ab 2009 stufenweise auf 62 erhöht.

Um das alles zu finanzieren, verscherbelt Wulff das Tafelsilber. Die zehn Landeskrankenhäuser mit ihren 6.300 Angestellten sollen privatisiert werden, der Verkauf von Wäldern soll 75 Millionen Euro in die Kasse spülen. Zudem will das Land seine Forderungen aus Wohungsbaudarlehen auf dem Finanzmarkt verkaufen, der mit 433 Millionen Euro größte „Spar“-Batzen. Dass auch das Programm für den sozialen Wohnungsbau im kommenden Jahr gestrichen wurde, habe „verheerende Folgen auch für den Mittelstand“, kritisierte die SPD. Auch der Buchungstrick von Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), Rückzahlungen der NordLB in Höhe von 280 Millionen Euro, die der Bank ab 2007 wieder zur Verfügung gestellt werden müssen, als Einsparung darzustellen, fand bei der Opposition keine Gnade. Jetzt würden „die Schattenhaushalte mit Ausverkäufen“ ergänzt“, sagte der grüne Fraktionschef Stefan Wenzel. Wulffs „gehübschter Wahlkampfhaushalt“ stopfe das „gigantisch große strukturelle Haushaltsloch“ nicht ansatzweise, Niedersachsen werde 2006 auf 50 Milliarden Euro Schulden sitzen.

Dafür rühmte sich Wulff, er werde die Nettokreditaufnahme 2006 wie versprochen um 350 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden drosseln. Und dennoch sollen Behinderte 72 Millionen Euro mehr bekommen. Die Hochschulen des Landes werden nach Wulffscher Lesart sogar „doppelt privilegiert“. Einerseits werden sie von Kürzungen ausgenommen, anderseits sollen sie die Studiengebühren, die ab 2006 erhoben werden dürfen, komplett behalten. Zudem will Wulff in den nächsten Tagen einen „Hochschulpakt“ abschließen, der die Mittel für Lehre und Forschung bis zum Jahr 2010 festschreibt. Kai Schöneberg