: Love Parade wird zur Dorfdisko
Als kleiner Ersatz für die Love Parade findet am Samstag die Tanzparty „Planet pro Berlin“ statt. Der Umzug fällt flach, dafür legen DJs auf mehreren Bühnen auf. Die Veranstalter nennen das „Messe urbaner Clubstyles“. 10.000 Raver werden erhofft
VON TANIA GREINER
Ein Grüppchen hartnäckiger House-Veteranen gibt die längst totgesagte Love Parade noch nicht verloren. „Planet pro Berlin“ heißt ihre Ersatzdroge, die gestern in der Clublounge 40seconds nahe dem Potsdamer Platz vorgestellt wurde.
Die Musikveranstaltung wird am kommenden Samstag auf den 1,2 Kilometern zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule stattfinden. Auf zehn Bühnen sollen über 100 DJs aus Deutschland, Japan, Neuseeland, Brasilien, Holland und Österreich auflegen. „Eine Messe urbaner Dancestyles“ nennt Mitorganisator Marcello M. vom Stadtmagazin 030 vollmundig das neue Konzept. So will man den Techno-Stempel geschickt abschütteln.
Überhaupt scheint alles anders als bei der Organisation der Love Parade. Keine Konflikte mit Anliegern des Tiergartens, die sich vom Lärm gestört fühlten, kein Streit mit der Stadt um die Entsorgung des Mülls, den die Hunderttausenden von Ravern immer hinterlassen hatten. Kurz zur Erinnerung: 1989 von Dr. Motte ins Leben gerufen, lockte die Love Parade zehn Jahre später schon 1,5 Millionen Raver in Haut und Plastik an die Siegessäule.
Nachdem ihr 2001 in einem Eilverfahren durch das Bundesverfassungsgericht der Status einer politischen Demonstration entzogen wurde, begann das schleichende Aus. Denn für die Müllbeseitigung musste die Loveparade Berlin GmbH nun selbst aufkommen. Im vergangenen Jahr fiel die kommerzielle Tanzparade aus finanziellen Gründen dann mangels Sponsoren und dank stetig gesunkener Teilnehmerzahlen zum ersten Mal flach. Zwar setzte sich die Demo „Fight the Power“ im Juli vergangenen Jahres für den Erhalt der Love Parade ein. Unter Beteiligung von namhaften Berliner Clubs der Elektro-Szene stand sie sogar eine ganze Woche im Zeichen der Liebe. Doch schnell wurde es auch darum wieder still. In diesem Jahr wurde die Riesenparade schon im April abgesagt.
Armin Mostoffi, Betreiber des Labels Bash Records und offizieller Veranstalter der Planet pro Berlin, lobte gestern die Kooperation der Stadt in höchsten Tönen. „Wieso es zu Love-Parade-Zeiten zu so starken Konflikten gekommen ist, verstehen wir auch nicht“, kommentierte er den Streit vergangener Jahre.
Für die Müllentsorgung an der Strecke sorge die Firma Retek. Der Tiergarten werde auch nicht wie zuletzt bei der Love Parade durch Zäune abgesperrt, denn man wolle eine für alle offene Veranstaltung. Finanziert wird Planet pro Berlin durch den Verkauf der Cateringrechte an die Eventagentur DNS und Einnahmen aus der Bühnenvermietung.
Für DJane Marusha, die die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen hat, ist das Paraden-Ersatzprojekt ein deutliches Zeichen, „dass die wahre Kollektivseele am Ende überlebt“ habe.
Allerdings mit deutlich bescheidenerem Umfang. Denn mit Besucherprognosen hielten sich die Veranstalter – unter dem Vorwand der aktuell nicht so euphorischen Wetterlage – lieber zurück. Schon mit 10.000 Musikfans sei man zufrieden.
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