Sinnvolle Zweitverwertung

BOULEVARD-DEMO Auf dem Axel-Springer-Platz basteln Studierende einen überdimensionalen Stinkefinger aus der kostenlosen „Bild“-Jubiläumsausgabe, die am Samstag bundesweit in deutschen Briefkästen lag

Die Aktion ist eine Mischung aus Spontan-Demo und Kunst-Happening

Um fünf vor zwölf ist alles wie immer am Axel-Springer-Platz. Das Verlagshochhaus verlassen, Verkehr strömt vorbei, Fußgänger auf dem Weg Richtung Alster. Von der angekündigten Aktion zum 60. Geburtstag der Bild-Zeitung ist nichts zu sehen.

Doch dann kommt eine bunte Studenten-Truppe mit Kleistereimer und einem zum Soundmobil umgebauten Einkaufswagen, kurze Verständigung mit der Polizei und die Mischung aus „Demo to go und Kunst-Happening“ beginnt. Protestutensilien werden gebastelt, Musik kommt aus der Konserve. Einer hat sogar eine Gitarre mit gebracht.

Demonstrantin Lina Derbitz gefallen die Themen der Bild nicht. Sie spricht von Homophobie, Sexismus und Nationalismus, alles werde mit hoher Auflage verbreitet. Sie sieht „klare Meinungsmache nach Rechts, das sollte man nicht einfach hinnehmen.“

Am Samstag hat der Springer-Verlag bundesweit Gratis-Ausgaben der Bild zustellen lassen. Auf ein Leinentuch schreiben die Studenten: „Nationalismus raus aus den Köpfen – Bild raus aus den Briefkästen!“ Teilnehmer machen sich auf den Weg, aus der Nachbarschaft Sondernummern einzusammeln, dann entstehen aus Draht und Zeitungspapier überdimensionale Stinkefinger und ein abgewandeltes Motto des Blatts: „Build Dir Deine Meinung“.

Dass das frisch gemalte Transparent an einem nahen Geschäftshaus aufgehängt wird, unterbindet die Polizei. Auch an die Bäume dürften sie nichts befestigen, erzählen die Demonstranten. Schließlich binden sie das Transparent am Musikwagen und einem Leihfahrrad fest.

Manchmal bleiben Passanten stehen und kommen mit Organisatorin Marilena Frank ins Gespräch. Sie wollten die Bild-Zeitung recyceln, erklärt sie. Das sei das einzig Vernünftige, was man mit dem Blatt machen könne, antwortet ein Mann.

Mit der Zeit vergrößert sich die Zahl der Teilnehmer auf rund ein Dutzend Frauen und Männer. Eingeladen wurde über Facebook, über 50 Leute hätten verbindlich zugesagt, sagt Marilena Frank.

Witz hat Der Postillon: Das kleine Blättchen fand in der vorausgegangenen Nacht 1.200-fach den Weg in Hamburger Briefkästen und verbreitet, der Springer-Verlag habe eingeräumt, Bild sei eine „reine Satirezeitung“.

In der Runde wird erzählt, die Idee zu der Bastelaktion käme aus Berlin, dort fände eine parallele Veranstaltung statt. Es ist nur fast alles wie immer an jenem Samstag am Axel-Springer-Platz.FRANK BERNO TIMM