schlechtes vorbild
: Maskenpflicht im Unterricht: Später als alle anderen ringt sich Bremen dazu durch

Nun muss also auch Bremen eine Maskenpflicht im Unterricht einführen – gegen den Willen von Bürgermeister Andreas Bovenschulte und Bildungssenatorin Sascha Aulepp, beide SPD. Sie hätte sich eine andere Regelung gewünscht, sagte Aulepp am Freitag der taz. Der Bürgermeister hatte schon am Donnerstag nach der Ministerpräsidentenkonferenz erzählt, er habe dort „seine Skepsis vorgetragen“. Weil in der Arbeitswelt keine so strenge Maskenpflicht gelte. Doch damit sei er bei seinen Kol­le­g:in­nen auf taube Ohren gestoßen. Sie verdonnerten sich, den Mund-Nasen-Schutz im Unterricht einzuführen, als Teil der Bemühungen, die vierte Welle irgendwie in den Griff zu bekommen.

Die Bremer Regierung, die vieles richtig gemacht hat in ihrer Pandemiepolitik – höchste Impfquote, Schulen und Kitas nahezu durchgängig offen, keine Ausgangssperren – hegt eine Abneigung gegen das Masketragen in der Schule. Auf Fluren und anderen Gemeinschaftsflächen okay, aber nicht im Klassenraum. Zuletzt waren nur noch Thüringen und Nordrhein-Westfalen oben ohne. Allerdings hatte Nordrhein-Westfalen am Mittwoch verkündet, dass die Maske wieder aufgesetzt werden müsse. Und Thüringen hatte vergangene Woche die Maskenpflicht von Warnstufen abhängig gemacht.

In beiden Ländern gab es auch erst seit Herbst keine Maske mehr im Unterricht. Zu diesem Zeitpunkt hatten einige Bundesländer die Maskenpflicht aufgehoben, viele allerdings nach wenigen Wochen mit den steigenden Inzidenzen wieder eingeführt. Nur in Bremen konnte sie gar nicht aufgehoben werden – weil sie dort nach den Sommerferien gar nicht damit angefangen hatten.

Diese Aversion zieht sich durch das ganze Pandemiejahr. Bremen war schon 2020 eins der letzten Bundesländer, das die Maske eingeführt hatte. Grundschulkinder mussten sie sogar erst im April 2021 erstmals tragen – Schleswig-Holstein hatte dies ein halbes Jahr früher beschlossen.

Nun ist zwar mittlerweile durch wissenschaftliche Studien belegt, dass Masken alleine nicht vor Infektion schützen, ab einer bestimmten Virenkonzentration in der Luft kaum noch etwas ausrichten können und Sechsjährige nicht wissen, ob die Maske gerade gut sitzt oder ordentlich Luft rein lässt – aber wirkungslos sind sie deshalb noch lange nicht. Und die Inzidenz bei der am stärksten betroffenen Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen lag in dieser Woche im Land Bremen bei 497, an 28 von 124 allgemeinbildenden Schulen in der Stadt Bremen gab es laut Bildungsressort Ausbrüche. Deshalb redet auch das von einer Linken geführte Gesundheitsressort seit einem Jahr auf den Koalitionspartner SPD ein, sich doch nicht so gegen die Masken zu sträuben.

Die soziale Interaktion vor allem von ganz jungen Kindern werde durch die Maske gestört, begründete die Sprecherin der Bildungssenatorin am Freitag die ablehnende Haltung, zudem sei der Spracherwerb erschwert und es sei eine erhebliche Belastung, an Ganztagsschulen acht bis zehn Stunden am Stück die Masken tragen zu müssen.

Aber es sei ja möglich gewesen, dass sich „Schulgemeinschaften“ oder Klassen verabreden, es anders zu handhaben und auf eigene Faust Masken einzuführen. Das haben tatsächlich einige getan. An einer Grundschule empfahl der Elternbeirat das Masketragen. Mit den erwartbaren Folgen: Da mussten Siebenjährige die Verantwortung dafür übernehmen, dass sie die Maske aufsetzen und sich vor Mit­schü­le­r:in­nen und Leh­re­r:in­nen rechtfertigen. Während ihre Eltern darüber stritten, was nun schädlicher für die Kinder sei.

Eiken Bruhn