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Aufschwung im karibischen FußballDas runde Leder von Barbados

Nach der Lossagung von der britischen Krone plant man in dem Inselstaat auch im Fußball einen Neuanfang. Doch es fehlt noch an klaren Ideen.

Auch in die fußballerische Unabhängigkeit entlassen: Prinz Charles auf Staatsbesuch in Barbados Foto: Arthur Edwards/reuters

U m den Anbruch der neuen Zeit auf der Republik Barbados zu feiern, war sogar ein älterer Polospieler aus dem United Kingdom angereist. Prince Charles saß rum, als die Karibikinsel ihre seit 1966 bestehende Unabhängigkeit dergestalt festzurrte, dass Charles’ Mutter künftig nicht mehr das Staatsoberhaupt ist.

„Was könnte dieser ganze Shit für unseren Fußball bedeuten?“, fragt Nick Maitland in seinem Podcast für die Zeitung The Nation. Es sei nämlich auch für den Fußball höchste Zeit, unabhängig zu werden. Formal unabhängig ist der Fußball auf Barbados selbstverständlich schon lange, aber es werde viel zu oft auf die englische Premier League geschaut. „Wir müssen unseren eigenen Stil entwickeln.“

Was das bedeutet, darüber wird derzeit heftig diskutiert. Doch so recht einig ist sich die Opposition im Fußballverband nicht. Während die einen noch etwas unkonkret von Grassroot-Arbeit, besserer Trainerausbildung und Förderung des Mädchen- und Jugendfußballs sprechen, setzen andere sogar darauf, dass der Aufschwung von einem Armeesportteam kommen solle.

„Es ist an der Zeit, unsere koloniale Vergangenheit vollständig hinter uns zu lassen“, hat Sandra Mason gesagt, seit wenigen Wochen Staatspräsidentin. Aber während eine Sportart wie Kricket zum kolonialen Erbe gehört, lässt sich das vom Fußball nicht sagen: Dieser aus dem Industrieland England stammende Sport hat sich überall dort entwickelt, wo englische Händler und Ingenieure waren, um wirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen.

Spiel mit erwünschtem Eigentor

In den Kolonien aber wurde Kricket gespielt; auf Barbados geht das bis ins 18. Jahrhundert zurück. Fußball hingegen hat eine viel jüngere Tradition, der Verband wurde 1910 gegründet. Die ersten Länderspiele sind erst 1930 und 31 verzeichnet – und danach erst wieder 1974. Der erste in den Statistiken notierte Landesmeister findet sich 1938.

Entsprechend wenig Highlights gibt es: Sportgeschichte schrieb die Nationalelf nur einmal, im Januar 1994. Da ging es um die Qualifikation für den Karibik-Cup, und im Spiel gegen Grenada wurde eine sehr bekloppte Regelkonstellation wirksam, wonach Grenada zum Weiterkommen auch ein Eigentor hätte gebrauchen können. Barbados musste also sowohl das eigene als auch das gegnerische Tor verteidigen.

Die Regel, die so etwas letztlich möglich machte – ein „Golden Goal“, das doppelt zählte –, wurde bald wieder abgeschafft. Barbados jedenfalls erreichte so den Karibik-Cup, schied dort aber schnell aus. (Wenn Sie das jetzt nicht so ganz kapiert haben, liegt es nicht an Ihnen, vermutlich noch nicht einmal an mir – auch die damals Beteiligten hatten diese Regel nur rudimentär verstanden, zumindest die auf der Bank Grenadas.)

Jedenfalls hat die exzellente Kenntnis auch unsinniger Regeln für keinen Aufschwung des barbadischen Fußballs sorgen können. In der aktuellen WM-Qualifikation etwa schieden die Kicker aus. Und im Concacaf-Gold Cup ging Barbados gegen die Bermudas noch im Juni 2021 mit 1:8 unter, das bislang letzte Länderspiel. Nicht einmal bei den Commonwealth-Spielen, die im Juli und August 2022 in Birmingham stattfinden und an denen Barbados auch als Republik weiter teilnehmen wird, können die Kicker zeigen, dass es einen Aufschwung gibt. Fußball wird dort schon lange nicht mehr gespielt.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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