PREUSSISCH-ZACKIG ODER SINGEND: WIE DIE HAMBURGER SO GRÜSSEN
: „Moin“

ROGER REPPLINGER

Mein Postbote knurrt’s. Wenn ich mit dem Fahrrad an seinem gelben Rad mit der Tasche, in der die Briefe drin sind, vorbeikomme. Das Rad steht auf dem Bürgersteig, der Platz ist knapp. Auf die Straße kann ich nicht: Kopfsteinpflaster. Macht Rad und Mann kaputt. Mein Postbote kriegt Zähne und Lippen nicht auseinander, letztere halten die Fluppe. Nur weil das, was da raus kommt, so kurz ist, weiß ich, dass es „Moin“ heißt.

Als ich hierher gezogen bin, hab ich mich gewundert, wie man sich so grüßt in dieser Stadt. „Grüß Gott“ wird als Angriff der Papisten auf den Protestantismus verstanden, oder man hört Sätze, die sich auf den weltanschaulichen Provinzialismus dessen beziehen, der Gott im Munde führt, wie: „Richte ich gerne aus, wenn ich ihn sehe.“ Oder: „Kann noch ein bisschen dauern.“ Oder: „Welchen meinst Du genau?“ Macht man zwei Mal und gut.

„Moin“ also. Irgendwann hab ich kapiert, dass „Moin“ immer geht. Wenn ich allerdings kurz vor 22 Uhr in meinem Supermarkt bin, und der Mann an der Kasse ist müde und grau, sag ich „N’Aabn“. Sonst „Moin“.

Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich das Ohr hatte zu hören, was man alles machen kann mit „Moin“. Es geht so preußisch-zackig, dass es weh tut. Dagegen ist „Guten Morgen“ ein Essay. In der zackigen Version ist es kein Gruß mehr, sondern eine Feststellung: Es ist Morgen und aus. Der Rest ist Kommunikationsstrategie. Das feldwebelhafte „Moin“ bedeutet: „Ich hab keine Zeit“, und „schleich dich“, und „ich will nicht reden“ und „Obacht“ oder gar „Achtung!“. Es ist ein „Moin“, das den anderen anspricht und ihn gleichzeitig auf Distanz hält. Die Männer, die bei mir in der Straße den Müll holen, haben solche „Moins“ drauf.

In dem Laden, in dem ich meinen ersten Job in Hamburg hatte, war eine Sekretärin, die konnte es singen: „Mohoiinn.“ Theoretisch könnte das nie enden oder der Beginn einer Mozartarie sein. Sopran. Ihr Vorgesetzter war ein stellvertretender Chefredakteur: schwarze Armani-Jeans und Hemden, kleinkariert. Auch im Kopf. Er brummte und drehte sein „Mojehen“ im Mund wie ein Bonbon. Das dauerte.

„Oi“ ist ja im Deutschen eine eher rare Buchstabenverbindung. Sonst nur in „Doitschland“, wenn Comiczeichen die Sprache der Schweine als „oink, oink“ wiedergeben, oder in „boing“. Daneben nur Mundart. „I moin bloß“, sagt der Schwabe.

Tobias Edner, einer meiner Ex-Studenten, grüßt mit „moinsen“, was hübsch ist, weil es das Kurze von „moin“ beibehält und aufs „zusammen“, aus dem es noch besteht, ausdehnt. Gesprochenes Steno. Bei Radio Bremen hört man dann und wann „Moin, Moin“. Denkt der Hamburger: „Kein Wunder, kriegen die Bremer außer im Fußball nix gebacken, wenn sie beim Grüßen so trödeln.“ Das erste „Moin“ von „Moin, Moin“ kommt wohl von „gut“ und das zweite vom Friesischen „moren“ gleich Morgen. Norweger grüßen mit „morn“, Finnen mit „moi“.

In den 1970ern und 1980ern war „Oi!“ ein Musikstil und „oi“ ist in England ein Gruß für Leute, denen „hey“ zu lang ist. Nur nicken ist kürzer.