DIE EM VOM NORDEN AUS (12)
: Der englische Patient

ist nicht der Onkel des Fußballers Wayne Rooney – und eben dadurch 2006 berühmt geworden

MARTIN ROONEY

Der Mythos von der englischen Elfmeter-Fehlbarkeit gründet in einer bestürzenden schwarzen Serie, welche die englische Fußballelf seit 1990 heimsucht. Siebenmal trat das Team seitdem bei großen Turnieren zum Elfmeterschießen an, sechsmal scheiterte es – so oft wie keine andere Nation.

Nach den vielen Flops in den letzten Jahren hatte der englische Fußballverband nichts unversucht gelassen, um die Gespenster der Vergangenheit zu vertreiben. Sündhaft teure ausländische Trainer wurden verpflichtet. Zunächst kam der Schwede Sven-Göran Eriksson, der mehr durch Eskapaden mit einer bildhübschen Sekretärin des Fußballverbands auffiel als durch Erfolge auf dem Platz. Der Schwede ließ die Kosten für Exkursionen mit seiner Angebeteten zu diversen Liebesnestern pikanterweise als Spesen für die angebliche Beobachtung künftiger Gegner der Three Lions abrechnen. So kam es nach den Enthüllungen zu seiner Entlassung.

Ebenso erfolglos war das Intermezzo unter Nationaltrainer Steve McClaren, nachdem er sich in seinem letzten Spiel gegen Kroatien unter einem Regenschirm verkrochen hatte, „the wally with the brolly“ genannt, der Blödmann mit dem Schirm.

Dann kam 2008 der renommierte italienische Trainer Fabio Capello, der ein Rekordgehalt von sieben Millionen Pfund pro Jahr kassierte und das Ende des englischen Elfmeter-Traumas ankündigte. Nach einem Streit mit dem englischen Fußballverband, der John Terry als Kapitän absetzen wollte, schied der Italiener im Februar im Zorn aus. Als Hauptgrund für die Probleme in der Ära Capello führte aber Wayne Rooney letzte Woche an, der Italiener habe kein Englisch gekonnt. Die Retourkutsche kam prompt im italienischen Hörfunk: „Rooney kann kein Englisch verstehen und spricht auch kein Englisch“, giftete Capello über den Pitbull aus dem proletarischen Croxteth/Liverpool.

Unter Roy Hodgson sollte alles ganz anders sein. Sein Schachzug war es, seinen mutmaßlich besten Spieler, der im Vorjahr für schlappe 37.000 Pfund sein lichter werdendes Haupthaar durch ein Haarimplantat gestärkt hatte, während seiner Sperre zu einer Art Wohlfühl-Assistenten zu machen. „Ich habe den Jungs in der Kabine und im Hotel geholfen zu relaxen“, beschrieb Rooney bescheiden seinen Aushilfsjob neben dem täglichen Training. „Und das ist so wichtig, als wenn ich auf dem Spielfeld stünde.“

Weder Wayne Rooneys Entspannungsprogramm noch sein Mut zum verwegenen Haarschnitt – unten nichts, oben eine blonde Schmalztolle – haben England bei der Lotterie vom Kreidepunkt gegen Italien geholfen. Der K(r)ampf geht weiter.