AUF ZWEI RÄDERN DURCH KIEW, EIN EINMALIGER SELBSTVERSUCH
: Radfahrer als Hundeschreck

Ostwärts immer

ANDREAS RÜTTENAUER

Hätte man diese verdammten Kreaturen doch vergiftet! Hilfe! Was wollen die von mir? Acht Straßenhunde rennen mir nach, bellen und versuchen an mir hochzuspringen. Was haben die heute nur? Kommen sie mit dem schwülwarmen Wetter nicht zurecht? Die sind doch sonst nicht so. Oder liegt es an mir?

Heute war ich mit dem Fahrrad unterwegs in Kiew. Das kennen die Hunde vielleicht nicht. Denn viele Radler sind nicht unterwegs in der Stadt. Haut ab! Eine alte Frau rettet mich. Sie rennt auf die Hunde zu und schießt ihren historischen Einkaufstrolley in die kläffende Meute. Seht ihr nicht, dass der Mann nicht von hier ist? Die Hunde verstehen die Botschaft und lassen von mir ab. Jetzt bin ich wieder gegen Vergiftungen.

Das Rad gebe ich schnell wieder ab. So richtig wohlgefühlt habe ich mich nicht damit. Das lag nicht nur an den Hunden und auch nicht allein daran, dass die Bremsen des Rads außer Betrieb waren. Die autobahngleichen Ausfallstraßen, von denen Kiew durchzogen ist, sind nicht für den Radverkehr gemacht. Einen Radweg habe ich vergeblich gesucht. Schrecklich war’s, auch wenn mich niemand angehupt hat. Radfahrer sind zwar selten, aber geduldet; auch auf der Autobahn zum Flughafen ist bisweilen einer unterwegs.

Bitte, nimm es wieder! Sascha, der junge Mann, von dem ich mir das Rad geliehen habe, lacht. Aber angehalten hat dich niemand? Er fragt mich das mit einem Lachen im Gesicht und klärt mich auf: Die Verkehrspolizei stoppt keine Radfahrer. Für die sind wir arme Schlucker, da ist nichts zu holen.

Und wieder mal höre ich eine Geschichte über die korrupte Ukraine. Sascha erzählt, dass man nicht zahlen muss, weil man zu schnell gefahren oder bei Rot über die Ampel gerast ist, man muss zahlen, weil man angehalten worden ist. Wer die Kelle sieht, dessen Hand geht schon zum Portemonnaie. Der Bulle kassiert. Sind auch arme Schweine, sagt Sascha und erzählt einen Witz: Kelle raus, Fenster runter, und der Polizist sagt: Meine Frau ist gestorben und ich habe drei Kinder zu versorgen, bitte geben Sie mir etwas.

Jetzt zeigt er mir, wie er sich gegen die Hunde zur Wehr setzt. Er beherrscht ein Manöver, bei dem er das Vorderrad anhebt und auf dem Hinterrad drehend eine 180-Grad-Wende vollzieht. Da erschrecken sich die Hunde zu Tode und hauen ab, sagt er. Nach ein paar Mal Üben kann ich das auch. Fahrradfahren werde ich wohl trotzdem nicht mehr in Kiew.