Bürgerantrag gegen Heuschrecken

Mitarbeiter, Handwerker und Mieter der Gewoba fürchten einen Verkauf der Gebäude an amerikanische Geldanleger. Jetzt soll ein Bürgerantrag die Bürgerschaft zwingen, die drohende Privatisierung des Wohnungsbauunternehmens zu verhindern

bremen taz ■ Am Hemd von Hans Hermann Wessels prangt er – der Button, auf dem „Kein Verkauf der Gewoba“ steht. Betriebsräte wie Wessels haben sich mit den Mietern verständigt, auch externe Handwerker angesprochen, die von den Aufträgen der Gewoba leben. Sie alle wollen Unterschriften für einen Bürgerantrag sammeln, der die Bürgerschaft auffordert, die Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaft zu verhindern. Denn die Angst geht um unter den Gewoba-Leuten, dass der Staat durch einen Verkauf seine marode Kasse mit einigen hundert Millionen Euro eines amerikanischen Geldanlage-Fonds aufbessern könnte – während zugleich Wohnquartiere verfallen und Arbeitsplätze wegfallen.

„Wir kümmern uns nicht nur um Wohnungen, sondern um Stadtteile“, sagt Wessels und bekommt Unterstützung von Bernhard Baumeister, Gewoba-Abteilungsleiter in der Vahr. 50 Millionen Euro habe die Gewoba investiert – in einen Kultursalon, die Sanierung der Bäder, neue Balkone und die Außenanlagen. „Das würde wegfallen, wenn ein privater Investor käme. Der würde Geld in die Sahnestücke stecken und sie weiterverkaufen“, so Baumeister. Die Folge seien neue und größere soziale Brennpunkte in weniger attraktiven Stadtteilen. Baumeister war früher selbst Betriebsratsvorsitzender.

„Wir unterstützen den Bürgerantrag“, sagt der Bremer SPD-Landeschef Carsten Sieling. Die SPD hat das immer wieder in programmatischen Beschlüssen betont. „Wir wissen aber, dass nicht alle SPD-Abgeordneten bedingungslos dahinter stehen“, sagt Hans Hermann Wessels. Und im Rathaus, im Finanz- und im Bauressort wird ernsthaft über den Verkauf nachgedacht. „Dabei zahlen wir jedes Jahr 8,5 Millionen Euro Dividende in die Stadtkasse“, so Baumeister.

Der Finanzsenator hat allerdings ein anderes Problem: 1999 wurden 20 Prozent der Gewoba-Anteile für stolze 141 Millionen Euro an die staatliche Investitionsgesellschaft (BIG) verkauft, und die zahlt dafür jedes Jahr weit mehr Zinsen als durch die 8,5 Millionen Euro Dividende hereinkommt. Wenn die BIG ihre 20 Prozent auf den Markt bringen würde und Bremen die Mehrheit der Anteile behielte, würde sie dafür weniger bekommen als sie damals in die Stadtkasse gegeben hat. Es ist also die Altlast eines Schattenhaushalts, der den Finanzsenator drückt.

Die Aktiven der Bürgerantrags-Initiative wollen ein Gutachten in Auftrag geben, in dem Zukunftsszenarien durchgerechnet werden. Die Finanzierung des Gutachtens sei zum Großteil gesichert, sagt Hans Hermann Wessels, es fehle das Einverständnis der Geschäftsleitung. Die Geschäftsführung der Gewoba will seit Jahren heraus aus der Abhängigkeit von der Stadtpolitik und an die Börse – allerdings hat die Geschäftsführung gleichzeitig deutlich gemacht, dass sie strikt gegen den Verkauf von Aktienpaketen der Stadt an amerikanische Gelanleger ist, die aufgrund der Dollar-Schwäche derzeit viel Geld für Euro-Anleihen in der Kriegskasse haben.

Erst einmal gilt es für Wessels und die anderen Unterschriften zu sammeln. 12.000 brauchen sie, damit der Bürgerantrag an den Präsidenten der Bürgerschaft geschickt werden kann. Ein paar tausend haben die Gewoba-Leute schon. „Und“, sagt Hans Hermann Wessels und rückt seinen Button zu recht: „den Rest bekommen wir auch noch zusammen“. Kay Müller