Gesundgeschrumpft

Weniger Besucher und weniger Raum, dafür endlich mehr Inhalte: das 17. Medienforum NRW

„Über Ehrenmorde und Zwangsheirat haben wir jetzt gar nicht geredet“, stellte Baha Güngör am Ende des Gesprächs über das „interkulturelle Medienschaffen“ lapidar fest. Der Leiter des türkischen Programms der Deutschen Welle hatte zuvor auf dem Medienforum NRW in Köln zwei Stunden eine Nichtdiskussion geleitet, in der drei Vertreter türkischer Mainstream-Medien nacheinander ihre Zeitung beziehungsweise ihren Sender bewarben. Vom kritischen Dialog mit der Türkei, dem diesjährigen Partnerland des Medienforums, konnte bis auf einen kurzen Auftritt von SPD-Urgestein Peter Glotz überhaupt keine Rede sein. Und das, obwohl ebendieses 17. Medienforum das „Prinzip Verantwortung“ im Titel führte.

Dafür schaffte es der Geschäftsführer des türkischsprachigen Senders TGRT Europe – Stimme Europas, mit einer schamlosen zwanzigminütigen Unternehmenspräsentation das Podium zeitweise leer zu fegen. Lediglich der WDR-Beauftragte für Interkulturelles, Gualtiero Zambonini, und der Berliner Publizistikprofessor Hans-Jürgen Weiß sorgten danach für ein wenig Frische. Zambonini sagte, Türken seien in deutschen Medien zwar „Thema, aber selten Akteure“. Weiß schüttelte den Kopf über „Friede, Freude, Eierkuchen“ und stellte fest, dass Sender wie TGRT mit ihrer Ausrichtung auf eine traditionell türkische Klientel zur Integration nichts beitragen. Moderator Güngör nahm den Faden allerdings nicht auf.

Trotz dieses Ärgernisses: Das Medienforum hat sich gemausert. Konzentriert auf nur noch eine Halle der Kölner Messe, wirkte die Veranstaltung wesentlich lebendiger als in den Vorjahren, wo sich die BesucherInnen in einem Labyrinth mäßig gefüllter Konferenzräume verloren. Auch die NRW-Filmstiftung hat vom Umzug aus der Flora in die Messehalle profitiert, weil das Publikum aus anderen Sparten so einfach bei den Filmleuten vorbeischauen konnte.

Selbst bei den zuvor stets stark gesteigerten Besucherzahlen ist so etwas wie Demut eingekehrt: Gut 2.000 Besucher, wie offiziell bekannt gegeben, dürften es tatsächlich gewesen sein – und damit rund 1.000 weniger als erwartet. So bilanzierte Norbert Schneider, Direktor der NRW-Landesanstalt für Medien (LfM), als Mitveranstalter „positive Reaktionen von Teilnehmern und die breite sachbezogene Berichterstattung, die wir zuletzt sehr vermisst haben“.

Für den Fortbestand des Medienforums entscheidender ist allerdings der Eindruck des zweiten Veranstalters, der Landesregierung. Die hat in NRW bekanntlich vor kurzem gewechselt. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und sein Medienstaatssekretär Thomas Kemper haben eine wohlwollende Prüfung angekündigt. Gestern sagte Kemper: „Die inhaltliche, räumliche und auch zeitliche Konzentration des Medienforums in diesem Jahr hat der Veranstaltung sicher gut getan.“ Doch selbst wenn die neue CDU-Regierung wegen der üblen Haushaltslage 2006 die 1,5 Millionen Euro für das Medienforum streichen sollte: Das geheime Herzstück, das internationale Filmfest Cologne Conference, bleibt laut Leiterin Martina Richter in jedem Fall bestehen. SEBASTIAN SEDLMAYR