Türkische „Illegale“ müssen raus

Etwa 10.000 Menschen aus dem Nordteil Zyperns sind seit Anfang Juli zum Verlassen der Insel gezwungen. Behörden kündigen schärfere Kontrollen von Arbeitsstätten an

„Es ist wie nacheinem Erdbeben,die Menschen gehen in Massen“

BERLIN taz ■ Tausende Arbeiter aus der Türkei müssen seit dem 1. Juli den Nordteil Zyperns verlassen. An diesem Tag lief eine Amnestieregelung für die illegalen Beschäftigten aus. Doch vielen Arbeitern gelang es nicht, eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Bis zum vergangenen Montag hatten nach Angaben des Arbeitsministeriums bereits 6.000 Menschen Nordzypern verlassen, inzwischen sollen es mehr als 10.000 sein, die auf dem Seeweg in die rund 70 Kilometer entfernte Türkei reisen. „Es ist wie nach einem Erdbeben, die Menschen gehen in Massen“, berichtete ein türkischer Zypriote aus dem Hafen von Kyrenia. Viele Immigranten sagen, sie wollten nie wieder zurückkehren. „Es ist klar, sie wollen uns hier nicht. Das ist eine Aktion, um uns rauszuwerfen“, sagte ein Abreisender. Wer sich weiter illegal in Nordzypern aufhält, muss eine Strafe von umgerechnet etwa 30 Euro für jeden dort verbrachten Tag zahlen.

Die Behörden der international nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ sehen die Kampagne als Mittel gegen Arbeitslosigkeit und Lohndumping in dem nur etwa 200.000 Einwohner zählenden Land. Durften bisher türkische Staatsbürger Nordzypern ohne Probleme mit ihrem Personalausweis betreten, so ist nun ein Reisepass notwendig. Arbeitssuchende müssen entsprechende Papiere vorweisen. Es gehe darum, die „Kultur der Illegalität“ zu brechen, sagte Unterstaatssekretär Ali Alnar der Cyprus Mail. Die Behörden kündigten an, dass ab sofort Arbeitsstätten im ganzen Land kontrolliert würden. Illegale Arbeiter müssten mit Bestrafungen und ihrer Deportation in die Türkei rechnen.

Die Arbeiter aus der Türkei waren bisher vor allem im Bausektor beschäftigt. Eine Sozialversicherung besaßen sie in der Regel nicht. Seit einem Jahr boomt der Tourismussektor in Nordzypern, Ferienhaussiedlungen wachsen flächendeckend entlang der Küste. Nicht nur die Arbeiter waren ohne geregeltes Beschäftigungsverhältnis, auch eine Baugenehmigung fehlt bisweilen.

Unter den griechischen Zyprioten im Süden der Insel hat die wachsende Immigration von Festlandstürken Besorgnis ausgelöst. Nach Statistiken der Republik Zypern sollen die türkischen Zyprioten inzwischen zu einer Minderheit im eigenen Land geworden sein. In Nordzypern werden diese Zahlen zwar bestritten, doch auch dort lehnen viele Zyperntürken die unkontrollierte Immigration aus der Türkei ab.

Zudem erschweren die Immigranten eine politische Lösung des Zypernkonflikts. Die Menschen leben häufig in Wohnungen und Häusern von Zyperngriechen, die ihr Eigentum 1974 im Krieg verlassen mussten, aber auf eine Rückgabe pochen. Die Regierung der Republik Zypern verlangt die Rückführung der „Siedler“, wie sie dort genannt werden, ganz gleich, wie lange sie schon im Norden leben. Eine Konfliktlösung im vergangenen Jahr scheiterte unter anderem, weil die griechische Seite eine darin vereinbarte Ansiedlung von großen Teilen der Immigranten ablehnte.

Dagegen unterscheiden die Behörden Nordzyperns zwischen zum Teil seit Jahrzehnten im Land lebenden Einwanderern und den Arbeitsmigranten. Erstere haben inzwischen größtenteils die Staatsbürgerschaft erhalten und sind meistens vollständig im Land integriert.

KLAUS HILLENBRAND