: Wie Peking die USA stabilisiert
Die Amerikaner fürchten den Ausverkauf ihrer Wirtschaft. Weil China einige Firmen übernommen hat. Dabei stützen Peking-Dollar die US-Ökonomie
AUS PEKING GEORG BLUME
Die Aufregung ist groß. „Chinas neue Revolution: von Deal zu Deal die Welt verändern“, betitelt das US-Magazin Time ein Sonderheft über die Versuche chinesischer Firmen, amerikanische Konzerne aufzukaufen. Die Rede ist von einem chinesischen Übernahmefieber, das manche als Ausverkauf der amerikanischen Wirtschaft empfinden. Deutlichstes Zeichen für die Hysterie: Ein Beschluss des US-Repräsentantenhauses, mit dem 398 Abgeordnete bei nur 15 Gegenstimmen für die Blockierung der vom chinesischen Ölriesen CNOOC angestrebten Übernahme des amerikanischen Ölkonzerns Unocal stimmten.
Dabei ist bisher noch nicht viel passiert. 7 Milliarden Dollar investierten chinesische Unternehmen im vergangenen Jahr in den USA. Peanuts. Obwohl bereits deutlich mehr als im Jahr 2000, als sich die chinesischen Investitionen in den USA noch auf 344 Millionen Dollar beliefen. In Zukunft aber wird ein regelrechter Investitionsschub erwartet: Auf 80 Milliarden Dollar schätzt Donald Strasheim, der frühere Chefökonom der US-Investmentbank Merrill Lynch, das Investitionsvolumen chinesischen Firmen in den USA in den kommenden zwei Jahren.
Den ersten spektakulären Coup landete in diesem Mai der größte chinesische Computerhersteller Lenovo: Seither ist das Unternehmen im Besitz der PC-Sparte des ehemals führenden Computerkonzern der Welt, IBM. Lenovo-Chef Yang Yuanqing wird in China deshalb als Held gefeiert.
Für noch mehr Wirbel sorgt das erste große Übernahmeangebot im politisch sensiblen Energiebereich. Mit CNOOC (China National Offshore Oil Corporation) bewirbt sich zudem ein Staatsunternehmen um einen US-Konkurrenten, dem Kritiker vorwerfen, vom Staat vergünstigte Kredite zu beziehen. Aus ihrer Sicht ist es unlauterer Wettbewerb, wenn CNOOC mit seinem 18,5-Milliarden-Dollar-Kaufangebot für die US-Firma Unocal die vom US-Ölmulti Chevron gebotenen 16 Milliarden Dollar übertrifft. Doch das letzte Wort haben in den USA die Aktionäre: Am 10. August werden die Unocal-Anteilsinhaber auf einer Aktionärsversammlung über das bessere Angebot entscheiden.
In den USA gibt es aber auch entwarnende Stimmen: „Die Angebote machen aus China einen Stakeholder“, lobt Stephen Roach, Chefökonom der US-Investmentbank Morgan Stanley, die chinesischen Initiativen. Roach begrüßt es, wenn China seine aus dem Handelsüberschuss mit den USA gewonnenen Dollar-Milliarden für den Kauf von US-Firmen einsetzt. So würde das Geld erneut in den USA investiert und nütze der amerikanischen Wirtschaft.
Tatsächlich besitzt die chinesische Zentralbank inzwischen US-Staatsanleihen im Wert von 230 Milliarden Dollar. Würde sie auch nur einen kleinen Teil der Papiere abstoßen, hätte das einen Abwertungseffekt auf den Dollar, der der hoch verschuldeten US-Wirtschaft empfindlichen Schaden zufügen könnte. Insofern stabilisiert es das unausgeglichene finanzpolitische Verhältnis zwischen den USA und China, wenn chinesische Unternehmen in den USA in Dollar-Werte investieren. Doch sind es eben nicht die Makroökonomen, die jetzt aufschreien, sondern Medien und Politiker. Das gilt auch für China. Genüsslich bemerkt Pekings führende Wirtschaftszeitung Jingi Guancha Bao: „Jede kleine Bewegung der Firma CNOOC auf ihrer Auslands-Einkaufs-Tour berührt die Nerven der Welt.“ Schon gefallen sich Pekings rote Kader in der Rolle von Weltökonomen: „Wer jetzt von einer China-Drohung spricht, handelt nicht im Interesse der Weltstabilität“, warnt Zhang Guobao, Vizevorsitzender der Nationalen Chinesischen Reformkommission. Noch aber hat kein regierender Politiker im Westen das Wort von der China-Drohung in den Mund genommen. Völlig zu Recht. Es ist so, wie eine Pekinger Zeitung schreibt: „Das Spiel hat gerade erst begonnen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen