ORTSTERMIN: KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG MACHT WAHLKAMPF IN ELMSHORN
: Leichtes Spiel im „Casino Royal“

Artig warten sie unter der Discokugel auf ihn. Vielleicht, um Heimatgefühle zu wecken, vielleicht aber auch aus Versehen, hat man für den Gast Bierzeltatmosphäre schaffen wollen: An 60 Meter langen Biertischreihen sitzen an diesem Mittwochabend die pünktlichen unter den Elmshornern, weiter hinten im Saal drängen sich die zu spät Gekommenen. Man trinkt Bier, philosophiert über mögliche Koalitionen und hört – wenigstens ein bisschen – der Band neben der Bühne zu. Euphorie geht anders.

Dann kommt er, knapp fünf Minuten zu spät – wegen „der bemerkenswerten Ampelschaltung in Elmshorn“: Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU-Bundeswirtschaftsminister und heute Abend vermutlich der beliebteste Franke im südlichen Schleswig-Holstein. Als er einzieht, springen selbst die schweigsamsten Anzugträger von ihren Bänken auf. Der Saal, das „Casino“ des örtlichen „Hotel Royal“, hat seine königlichen Jahre lange hinter sich, ein wenig so wie das Publikum: Kaum ein Mitglied der Jungen Union hat den Weg nach Elmshorn gefunden, dafür scheinen christdemokratische Senioren busladungsweise hergekarrt worden zu sein.

Apropos: Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist auch da und schwelgt in Erinnerungen: Der letzte Bayer, den man hier empfangen habe, habe Franz Josef Strauß geheißen. So mancher im Publikum scheint damals dabei gewesen zu sein, wissend nicken viele Köpfe. Guttenberg selbst hat leichtes Spiel, niemanden im Saal müsste er noch davon überzeugen, CDU zu wählen. Die drei Herren am Pressetisch beklatschen jeden Satz des Herrn Ministers. Zum Notizenmachen bleibt da keine Zeit.

Von der Ausstrahlung ihres Superministers wollen auch andere Unions-Kandidaten profitieren: Sie heißen Lehnert, Koschorrek, Ostmeier und Schröder, aber auch von Boetticher und von Abercron. Links und rechts vom Rednerpult sitzen sie und werden sich den Rest des Abend unauffällig verhalten.

Guttenberg spricht über die Krise, über Insolvenzen und Managergehälter. Wenn er „verzocken“ sagt, „unsäglich“ oder „Milliarden“, dann wippt er auf den Zehenspitzen. Den Nerv des Publikums trifft er vor allem mit diesem einen Satz: „Wir dürfen die Leistungsträger nicht demotivieren.“ Das zieht: Heute Abend fühlt sich hier, im fetten Süden des Landes, wohl jeder als Leistungsträger. Beim Thema Arbeitsplatzabbau dagegen gähnt mancher. Das scheint sich von den noch Erwerbstätigen niemand als persönliches Problem vorstellen zu können.

So pendelt die Stimmung zwischen ernster Ruhe und gealterter Ekstase, niemand reckt ein Namensschild in die Höhe – weder für den strahlenden Gast noch für den Landesvater.

Viel später, als die Rentner wieder im Bus und alle anderen auf den heimischen Sofas sitzen, gleich kommt das „Heute Journal“, leuchtet nur noch ein Scheinwerfer. Seitlich steht ein Wort auf dem Gehäuse: „Harmony“. JONAS JANSEN