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Faire Uni – Wirtschaft neu denken

Die Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn ist schon seit drei Jahren Fairtrade-Universität. Der Titel ist nicht nur Dekor, sondern passt inhaltlich und konzeptionell zum Lehrangebot – dank der Studierenden

Die Hochschule arbeitet zurzeit an einem Nachhaltigkeitsbericht Foto: Alanus Hochschule

Von Dierk Jensen

Drei Dutzend Hochschulen in Deutschland schmücken sich inzwischen mit der Auszeichnung „Fairtrade University“, die von der Fairtrade Deutschland e.V. vergeben wird. Dazu gehören unter anderem die Fachhochschule Westküste in Heide, die Deutsche Sporthoch-schule in Köln, die Universität Witten/Herdecke sowie die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und die Theologische Hochschule der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.

Es ist ein illustrer Kreis, zu dem seit drei Jahren auch die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn dazu gehört. Die Wurzeln dieser inzwischen seit fast 20 Jahren staatlich anerkannten Hochschule liegen im Umfeld anthroposophischer Akteure, die in den siebziger Jahren die ersten Grundsteine für die heutige Hochschule legten. „Wenngleich wir Studienangebote beispielsweise zu Eurythmie und zur Waldorf-Pädagogik haben, sind wir keine anthroposophische Hochschule“, stellt Tatjana Fuchs sofort klar, „Wir stehen vielmehr in den entsprechenden Studienfächern für einen wissenschaftsbasierten und kritischen Diskurs. Denn die Freiheit von Forschung, Kunst und Lehre ist Basis unserer Hochschule “, fügt die stellvertretende Kommunikationschefin der Alanus Hochschule (benannt nach dem Scholastiker Alanus ab Insulis aus dem Hochmittelalter) hinzu. Rund 1.900 Studierende zählt die Uni im beschaulichen Alfter gegenwärtig. Es gibt sechs Fachbereiche, die von der Bildenden Kunst, über Darstellende Kunst, Architektur, Kunstthera-pie, Bildungswissenschaft bis zur Wirtschaft (Betriebswirtschaft nachhaltigen Wirtschaftens) reicht. „Dabei ist uns als Hochschule die Interdisziplinarität, also die Zusammenarbeit der einzelnen Fächer, sehr wichtig“, betont Tatjana Fuchs. Kaum weniger wichtig ist die Nachhaltigkeit, die sich letztlich auch im Titel einer „Fairtrade University“ ausdrückt. „Obwohl die Anforderungen an so eine Auszeichnung nicht wirklich hoch sind, passt der Titel konzeptionell und inhaltlich gut zu uns, zumal wir als Hochschule zurzeit einen Nachhaltig-keitsbericht erarbeiten, in dem wir genau identifizieren, in welchen Bereichen unseres Be-triebs noch Nachholbedarf besteht“, so die studierte Medienwissenschaftlerin.

Die unabhängige Initiative zur Förderung des fairen Handels vertritt Fairtrade in Deutschland. Der Verein mobilisiert gegen Handelsungerechtigkeit und schließt Lizenzverträge mit Handelspartnern ab, die nach Fairtrade-Standards gehandelte Produkte anbieten.

Hinter Fairtrade stehen verschiedene Organisationen: Die Dachorganisation Fairtrade International setzt sich aus 28 Mitgliedern zusammen: 25 nationale Fairtrade-Organisationen (NFO) und drei Produzentennetzwerke.

fairtrade-deutschland.de

Dabei ist die Idee, in Alfter eine Fairtrade-Uni zu werden, aus den Reihen der Studierenden aufgegriffen und umgesetzt worden. „Themen wie Klimawandel, erneuerbare Energien und ökologischer Landbau sind überall präsent, während der Faire Handel nicht so viel Resonanz und Aufmerksamkeit bekommt, wie er eigentlich verdient“, wirft Nora Seling kritisch ein. Die Studentin der Betriebswirtschaft („Wirtschaft neu denken“) gehört an der Alanus Hochschule zu denjenigen, die sich für die Fortsetzung („Titelerneuerung“ im Jahr 2021) der Auszeichnung engagiert haben. Für die 27-Jährige ist ein Fairer Handel mit Akteuren aus dem globalen Süden ein wichtiger Baustein in einer ganzheitlichen Transformation gesell-schaftlicher und ökonomischer Prozesse, um den gewaltigen Herausforderungen der globalen Zukunft begegnen zu können. Zusammen mit anderen Studierenden hat sie die öffentliche Vortragsreihe „Sustainability in Trade: eine Frage der Transparenz“ mitorganisiert, an der neben der Alanus auch die Fairtrade-Unis in Bonn und in Sankt Augustin (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) teilnahmen. „Gerade im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist es ja so, dass wir hier in Europa die Hauptemittenten der Klimagase und damit die eigentlichen Ver-ursacher sind, für die die Menschen im globalen Süden am Ende durch Dürren und Stürme am meisten bestraft werden. Daher stehen wir hierzulande mehr denn je in der Pflicht, uns für den fairen Handel auszusprechen“, so Seling weiter.

Sie selbst arbeitet im Kontext ihres dualen Betriebswirtschaftsstudiums in den Semesterferien bei Fairtrade Deutschland e.V. in Köln, wo mittlerweile 80 Mitarbeiter beschäftigt sind. Durch ihre Arbeitspraxis ist Seling sehr nah dran an den Debatten um die Weiterentwick-lung und Hindernisse, die es beim Fairen Handel immer noch zu überwinden gilt. Dass auch der deutsche Hochschulbereich, der insgesamt etwas über 400 Einrichtungen zählt, noch Nachholbedarf hinsichtlich des fairen Einsatzes von Produkten in Cafeterien und Mensen hat, ist ziemlich klar: Tragen doch nicht einmal zehn Prozent aller Hochschulen den Titel „Fairtrade University“. Indessen freut sich Seling über die nachhaltige Dynamik, die die Erringung des Titels an ihrer Hochschule, für die im Übrigen keine Mehrkosten entstanden sind, ausgelöst hat. „Wir sind mit unserer Mensa in der Alanus Hochschule schon ziemlich weit kommen“, sagt Seling über fairen Einkauf in der Kantine. „Unabhängig von unserer Fairtrade-Gruppe hat die Mensaleitung zu Beginn des neuen Semesters entschieden, nur noch einmal pro Woche ein Fleischgericht anzubieten“, fügt sie hinzu. Und auch eine nach-haltige Beschaffung von beispielsweise Lehrmitteln, Papier und Computertechnik, begrüßt sie ausdrücklich. Es würde ohnehin dem ganzheitlichen Anspruch der Hochschule gerecht werden.