Der Tanzboden kurz vor der Trance und als klaustrophobischer Klangraum: Haito Göpfrich und Clark

Eigentlich ist Haito Göpfrich ein Veteran. Seit 1988 ist er schon als DJ dabei, wurde gefördert von Paten der intelligenten Arschwackelei wie Hans Nieswandt und Eric D. Clark, hat regelmäßig auch den einen oder anderen Meter Tiergarten liebesparadengemäß beschallt, sein eigenes Label betrieben und immer mal wieder einen Tanzbodenknaller abgeliefert. „Fiat Lux“ allerdings ist ein wenig überraschend dann doch sein Debütalbum.

Auf dem demonstriert Göpfrich, dass er alles kann: dumpfes Bumm-bumm, entspannte Handclaps oder breitbeinige Keyboard-Flächen, die sich über den Dancefloor schieben wie ein Raumschiff. Aber er leistet sich auch mal vergleichsweise ungewohnte Sounds: Die dramatische Geigenfigur am Ende von „Pusher“ könnte aus einer Zigeuner-Kaschemme stammen, die geschickt zusammengeschraubte Vokalakrobatik aus „Disconnected“ erinnert daran, was Jamie Lidell mal legendärerweise mit Super_Collider veranstaltet hat. Grundsätzlich aber gilt vor allem eins: Auf „Fiat Lux“ zuckt der Funk. Das tut er ausreichend schweißtreibend, aber niemals selbstvergessen, als wollte Göpfrich ausloten, wie viel Emotion man rausnehmen kann aus solch einem Genre, ohne gleich in die Minimal-Falle zu tappen. Die Folge ist: Seine Beats sind transparent und luftig, ja geradezu federleicht und weit entfernt von den dicken Brettern, die in Berlin früher einmal gebohrt wurden. Tatsächlich verkneift sich Göpfrich nur mit knapper Not den endgültigen Absturz in den Trance und macht kurz vor der Goa-Party halt, deren verkiffte Seligkeit ihm dann wohl doch zu süßlich wäre. Ernsthaft schmalzig wird es nur zum Abschluss in „The Need To Believe“, einer von Eric D. Clark gesungenen Ballade, die man aber auch als eine gelungene Reminiszenz an den klassischen Prince lesen kann.

Im Vergleich zur lockeren Offenheit von Göpfrich wirkt „Totems Flare“ von Clark nachgerade klaustrophobisch. Seltsamerweise entsteht diese diametrale Wirkung mit mitunter vergleichbaren Mitteln. Die Sounds aus Rhythmusbox und Sampler, in denen klassische Instrumente wie Klavier oder Gitarre bis zur Unkenntlichkeit modifiziert wurden, sind keine grundlegend anderen, aber Chris Clark, kürzlich nach Berlin verzogener Londoner, schichtet sie entschieden kompakter, verschränkt sie fest ineinander und lässt den Rhythmus darunter lieber ballern als funky schnippen. So entstehen enge, fast beängstigende Klangräume, in denen böse schallernde Trommelschläge das Sagen haben. Und wenn sich eine Decke aus knarzenden Störgeräuschen herabsenkt, wird man das Gefühl kaum los, demnächst zerquetscht zu werden.

Wer jetzt denkt, das haben doch Atari Teenage Riot auch schon gemacht, liegt atmosphärisch zwar durchaus einigermaßen richtig, muss sich aber die ganze punkige Hysterie und den Dilettantismus wegdenken. Stattdessen könnte man sagen, Clark entwickelt eine ziemlich überzeugende Idee, wie Gothic oder Industrial klingen könnten, wenn sich einer dieser Schwarzkittel mal die Mühe machen würde, sich in die moderne Technik zu versenken. THOMAS WINKLER

■ Haito Göpfrich: „Fiat Lux“ (Boxer Recordings/Kompakt), DJ-Set am 19. 9., 1 Uhr im Maria

■ Clark: „Totems Flare“ (Warp/Rough Trade)