wortwechsel
: Diskriminieren kann nur, wer Macht hat

Silke Mertins’ Kommentar zu den früheren Tweets der neuen Grüne-Jugend-Bundessprecherin Sarah-Lee Heinrichs wird von den Le­se­r*in­nen kritisch beurteilt

Sarah-Lee Heinrich, Bundessprecherin der Grünen Jugend, kämpft jetzt mit dem Shitstorm Foto: Kay Nietfeld/picture alliance

„Schwarze, die sich negativ über Weiße äußern, und Weiße, die negativ über Schwarze reden – das wird nie das Gleiche sein, nicht in 100 Jahren. Queers dürfen Heteros ablehnen, aber nicht umgekehrt. Frauen dürfen Männer nicht dabeihaben wollen, aber nicht umgekehrt. Behinderte Menschen dürfen über Nichtbehinderte lästern, aber nicht umgekehrt. Jüdinnen und Juden dürfen sich über nichtjüdische Deutsche lustig machen – umgekehrt keinesfalls.

„Falsch bleibt falsch“ taz vom 11. 10. 21

Jugendliches Recht

Jugendliche, egal welcher Abstammung, Hautfarbe oder sonstiger Merkmale, haben das Recht, dummes Zeug zu ­quatschen, sich zu besaufen, sich danebenzubenehmen, seltsam zu riechen, sich sämtlichen nur denk- oder undenkbaren Schwankungen jeglicher Hinsicht und Richtung allein oder in der Gruppe hinzugeben – also einfach, kurz gefasst: das Recht heranzuwachsen. Eigentlich sind doch die hormonell bedingten ­Zustände zu gewissen Lebensphasen sogar dem medizinisch-psychologischen Laien rudimentär bekannt. Das ist alles auch keinen speziellen Zeitungsartikel wert, sondern schlicht hysterischer Unfug, den man auch nicht kommentieren muss.

Den Unfug zu kommentieren freilich, solcherart hysterischen Unfug zu kommentieren, halte ich denn doch für angebracht. Jörg Zieting, Berlin

Bitte keine Naivität!

Dem Angehörigen einer Minderheit muss man nicht beispringen mit dem Argument, machtlose Minderheiten dürften andere Minderheiten beleidigen.

Der Umgang mit den sozialen Medien ist heute Teil der Kinderstube. Diese Stube lehrt: Worte bewusst als Waffe eingesetzt erhöhen die nachhaltige Sichtbarkeit auf den Plattformen. Parteivorsitzende wird man nicht als Schöngeist, sondern mit harten Bandagen, Machtbewusstsein und vielen Likes. Aufs Schild heben die Unterstützer, aber auch die Bewunderer des Frechen und Dreisten.

Christoph Behrendt, Schorndorf

Komplett falsch

Ich fand den Artikel in seiner Kürze gut ausgedrückt und inhaltlich stimme ich dem voll zu. Bis zu folgendem Satz: „Diskriminieren kann nur, wer Macht hat.“

Danach wird es schrecklich und komplett falsch. Dass Diskriminieren nur kann, wer Macht hat, ist richtig, aber der letzte Absatz ist doch kompletter Schwachsinn:

Inhaltlich bleibt da doch nur Folgendes hängen: Hass gegen Geschlechter, sexuelle Orientierungen, Religionen etc. ist vollkommen in Ordnung und legitim, nur eben nicht von der dominanten Perspektive.Mal ehrlich, wenn ich so was lese, ist der bis dahin gut auf den Punkt gebrachte Artikel vollkommen delegitimiert. Egal, wie gut eine Baerbock-Rede jemals ist, wenn sie mit dem Schlusssatz „und hängt alle Nazis“ endet, dann ist auch klar, was von der Rede noch übrig bleibt. Ich bin von der taz jedenfalls mächtig enttäuscht.

Jochen Kübert, Bad Dürkheim

Und taz.de schreibt ...
Beleidigung

Ist das wirklich eine mehrheitsfähige Aussage unter progressiven Linken? Ich hoffe nicht.

Niemand hat mehr oder weniger Recht, sich über mich lustig zu machen, mich zu beleidigen oder abzulehnen, nur weil ich ein weißer heterosexueller Mann bin. Was für ein unfassbarer Unfug! Warum sollte ich aufgrund meiner sexuellen Orientierung oder wegen meines Glaubens auch nur irgendein Privileg (vor allem im Hinblick auf Ablehnung, Beleidigung und Verächtlichmachung) haben als irgendein anderer Mensch?

Der letzte Absatz ist wirklich unterirdisch schlecht.

Matthias K

Zurückhaltung

Wenn man einen weißen Deutschen fragt: „Wann ist Ihnen zum ersten Mal bewusst geworden, dass Sie weiß sind?“, wird er wahrscheinlich antworten: „Darüber habe ich noch nie so richtig nachgedacht.“

Fragt man einen schwarzen Deutschen: „Wann ist Ihnen zum ersten Mal bewusst geworden, dass Sie schwarz sind“, wird er sagen: „Irgendwann im Kindergarten.“ Wenn jemand, der seit früher Kindheit sein Anderssein erlebt hat, im Jugendalter Ressentiments gegen die Mehrheitsgesellschaft entwickelt, ist das etwas vollkommen anderes, als wenn jemand, der diese Erfahrung nie machen brauchte, Ressentiments gegen Minderheiten entwickelt. Ersteres ist Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit, auch wenn es drastisch ausgedrückt wird, Letzteres ist Treten nach unten.

Vor diesem Hintergrund, und vor dem Hintergrund ihrer gesamten politischen Arbeit von Sarah-Lee Heinrich in den letzten Jahren, sollte man mit Verurteilungen etwas zurückhaltender sein.

Lenning Köstler

Rassismusskala?

Gibt es jetzt so etwas wie eine Rassismusskala, für die man sich qualifizieren oder disqualifizieren kann? Und wie rechnet man das aus? Wenn eine sehr reiche schwarze Frau eine sehr arme weiße Frau wegen ihrer Hautfarbe beleidigt, zählt dann das Weißsein als Privileg und das Reichsein andererseits als Privileg? Steht es dann „unentschieden“? Und wenn die sehr reiche Weiße Frau einen sehr reichen Schwarzen Mann beleidigt hat, gleichen sich dann Frau und Schwarz als Diskriminierungsmerkmale aus? Diese generalisierende Definition ist lachhaft.

rhauda