piwik no script img

Er kann es noch viel besser

Recht überraschend entthront der Ukrainer Alexander Usyk Schwergewichts-Champ Anthony Joshua

Ob Punktentscheidung oder Knock-out, das war am Schluss völlig egal. Der Brite Anthony Joshua, bis Samstagabend noch Weltmeister im Schwergewichtsboxen – und zwar der Champ von vier Verbänden (davon sind drei von Bedeutung) wusste, dass er seinen Titel los war. Alexander Usyk aus der Ukraine schlug ihn sehr deutlich. Unumstrittene Entscheidung nach Punkten, so unumstritten, als wäre es ein K. o. gewesen.

Beinah unspektakulär war der Kampf, den der 34-jährige Alexander Usyk da vor 67.000 Menschen im Londoner Stadion von Tottenham Hotspur am Samstagabend gestaltete. „Ich hatte nicht das Ziel, ihn K. o. zu schlagen“, sagte der neue Weltmeister über den alten. Seine Trainer hätten ihm gesagt, er solle mit den harten Schlägen aufhören, die er am Anfang gesetzt hatte, und einfach seinen Job machen.

Auf diese Weise hat Usyk alle überzeugt: Die Joshua-Fans im Stadion, die ihn mit Pfiffen empfangen hatten und mit Applaus verabschiedeten. Und der 31-jährige Joshua war auch überzeugt: In Runde zwölf hatte er noch einmal alles versucht, war schnell aus seiner Ecke gekommen, musste aber erfahren, was für ein Weltklassemann sein Gegenüber ist: Exakt platzierte Jabs und Konter, gegen die Joshua einfach kein Mittel fand. Kurz vor Ende der letzten Runde taumelte Joshua nur noch und war kurz vor der K.-o.-Niederlage. Seine doch eigentlich gut für zwölf Runden eingeteilte Kraft war schlicht zu Ende.

Joshua hatte Usyk nicht unterschätzt, und das wäre auch keine gute Idee gewesen. Im Cruisergewicht, also eine Klasse unter dem Schwergewicht, war er schon drei Jahre lang Weltmeister aller vier wichtigen Verbände. Zudem hatte er 2018 den bislang ernsthaftesten Versuch unternommen, das Verbändekuddelmuddel zu beenden: mit einem Turnier namens „World Boxing Super Series“.

Mit Alexander Usyk trägt nach den Klitschkos mal wieder ein Ukrainer die wertvollsten Gürtel des Weltboxens. Und es ist – wieder drängt sich der Vergleich mit den Klitschkos auf – einer, der die eher wissenschaftliche osteuropäische Boxschule durchlaufen hat. Er war Amateureuropameister 2008, Amateurweltmeister 2011, Olympiasieger 2012, später dann der Einstieg ins Profigeschäft, dort 19 Kämpfe, 19 Siege.

Der Sieg vom Samstag ist da schon mitgezählt, denn so richtig war Alexander Usyk von dem nicht überrascht. „Der Kampf verlief genau so, wie ich es erwartet hatte. Es gab ein paar Momente, in denen Anthony mich hart bedrängt hat“, sagt der Ukrainer und fügte hinzu: „Aber nichts Besonderes.“

Wie es nun weitergeht im Schwergewichtsboxen der Profis, darüber verhandeln nun sein Manager und Promoter. Der Weltmeister des einzigen wichtigen Verbandes, dessen Gürtel Usyk jetzt noch nicht hat, die WBC, ist der Brite Tyson Fury, und der muss am 9. Oktober noch in Las Vegas zu einem gerichtlich angeordneten Rückkampf gegen Deontay Wilder antreten. Wenn Fury den gewinnt – wovon die Fachwelt überzeugt ist –, kommt der ganz große Zahltag des Alexander Usyk schon bald. „Ihr habt nicht den besten Usyk gesehen“, verkündete der am Samstag. „Ich kann es noch viel besser.“ Martin Krauss

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen