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Hakki Keskin, türkischstämmiger Professor aus Hamburg, will für die PDS in den Bundestag. Am Mittwoch stellte er sich bei den Genossen im Wahlkreis vor – richtig überzeugen konnte er sie nicht

VON CEM SEY

Hakki Keskin sitzt nervös am Kopf des Tisches. Auf ihn blicken an diesem Mittwochabend rund 40 PDS-Mitglieder, die ihn noch nie gesehen haben. Dies hier ist das Vorstellungsgespräch des türkischstämmigen Kandidaten bei den Genossen aus Tempelhof-Schöneberg. Hier soll er für ein Bundestags-Direktmandat kämpfen.

Es ist eine schwierige Aufgabe, schon bevor er überhaupt offiziell aufgestellt ist. Denn die Genossen fühlen sich überrumpelt. Der Bezirksvorsitzende Carsten Schulz beschwert sich vorsichtig über die Parteispitze, die ihm erst am vergangenen Freitag ihre Idee mitgeteilt habe, „Herrn Keschnik“ ausgerechnet in seinem Bezirk für den Bundestag kandidieren zu lassen. Schulz hatte keine Zeit, sich den fremden Namen zu merken.

Hakki Keskin hat das Wort. Der Professor für Migrationspolitik aus Hamburg, der vier Jahre für die SPD in der Hamburger Bürgerschaft saß, errötet plötzlich. Er erzählt stockend von den Jahren in seiner Heimat, in der Türkei. Er habe seine Jugend in der Osttürkei verbracht, sagt er. Der Korrespondent der Tageszeitung Hürriyet im Raum grinst und flüstert zu seinem Nachbarn: „Osttürkei sagt er, nicht Kurdistan!“ Die meisten PDSler hätten wohl die umgekehrte Wortwahl bevorzugt, will der Journalist damit sagen.

Keskin erzählt, wie er „von Deutschland aus die Verhältnisse in der Türkei verändern“ wollte. Dann, wie er in den 80er-Jahren ein Bündnis gegen Ausländerfeindlichkeit in Deutschland geschmiedet habe. Das habe dazu geführt, dass auch in anderen Bundesländern solche Zusammenschlüsse entstanden.

Wenn er redet, staunt man, wie er – ohne groß öffentlich aufzufallen – scheinbar fast alles organisiert habe, was die Migrantenbewegung in Deutschland auf die Beine gestellt hat. Selbst Kernforderungen der Migranten aus der Türkei, wie das kommunale Wahlrecht für Ausländer, die doppelte Staatsbürgerschaft und das Antidiskriminierungsgesetz, gingen laut Keskin ursprünglich auf ihn zurück.

Sein Blick wandert auf ein Plakat an der Wand: „Millionen sind stärker als Millionäre!“ Er fängt ein langes Referat an über die Globalisierung und ihre Ungerechtigkeit. Man müsse sich mit den Arbeitern der Dritten Welt solidarisieren, die für Hungerlöhne arbeiten. Mit jedem Satz wird er lauter und aufgeregter: „Jemand muss die Schwachen in diesem Land verteidigen. Jemand muss auf den Tisch hauen!“ Da wachen einige Genossen auf. Das sind die Worte, die sie kennen, die sie interessieren.

Doch sie haken nach. „Der liebe Henry“, wie Carsten Schulz ihn nennt, möchte wissen, ob Keskin denn den sozialen Kahlschlag in den vergangenen Jahren nicht mitgetragen habe, indem er SPD-Mitglied war. „Ja“, sagt Keskin kurz, „aber ich habe das immer wieder kritisiert – und am Ende bin ich ausgetreten.“

Schicksal wie Lafontaine

Der fremde Kandidat scheint seit dieser Entscheidung das Schicksal Oskar Lafontaines zu teilen: „Ich hatte mir etwas anderes vorgenommen. Ich wollte mich um meine Familie und meine vernachlässigten Kindern kümmern.“ Doch die Einsicht, etwas zu einer neuen linken Bewegung beitragen zu können, habe ihn letztendlich doch dazu bewogen, den Vorschlag der PDS nicht abzulehnen.

Ein kurdisches PDS-Mitglied geht Keskin scharf an: „Sie werden kritisiert, ein Nationalist zu sein“, sagt er und bezieht sich dabei auf Aussagen von zwei PDS-Mitgliedern im Abgeordnetenhaus. Keskin regt sich auf und wirkt ein bisschen beleidigt: „Ich habe sehr früh angefangen, für die Menschenrechte in meinem Land zu kämpfen. Dafür wurde ich zweimal ausgebürgert.“

Die Genossen applaudieren artig. Nach zwei Stunden ist alles vorbei. Einer sagt, er fände es „mutig und klug, dass du dich zur Kandidatur stellst“.

Keskin selbst wendet sich erleichtert den türkischen Journalisten zu: „Ich bin Türke“, sagt er in Interviews auf Türkisch, „ich werde nie Politik gegen die Türkei machen. Das soll niemand von mir erwarten.“

„Der liebe Henry“ aber ist von den Ansichten des Kandidaten über die Solidarität in der globalen Welt noch nicht überzeugt: „Da gibt es noch Gesprächsbedarf.“