die taz vor 11 jahren zu den problemen der spd mit der pds
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Schon gehört? Rudolf Scharping will sich jetzt doch nicht von Gregor Gysi zum Kanzler wählen lassen. Überrascht? – Wohl kaum. Aber die eigentliche Überraschung liegt ja auch nicht in Scharpings kategorischer Ablehnung, sondern darin, daß er Gysis bitterböses Angebot nicht einfach mehr ironisieren kann oder ignorieren darf. Allen Ernstes muß er es zurückweisen.

Das gelingt, seit mit dem Segen der Bonner SPD-Spitze in Magdeburg eine von der PDS heftig umworbene, von der CDU strikt abgelehnte Minderheitsregierung favorisiert wird. Mit seinem Plazet liefert Scharping den Anknüpfungspunkt für die üble Nachrede.

Das Positive zuerst: „Magdeburg“ ist gut gemeint. Nicht aus Übermut hat sich die SPD auf eine rot-grüne Minderheitsregierung für Sachsen-Anhalt eingeschworen. Eher erschien ihr die Absage an die längst prognostizierte große Koalition als letzte Möglichkeit, rot-grünen Wendewillen zu demonstrieren und den Trend für Bonn doch noch umzukehren. Was in den Monaten zuvor versäumt worden war, die SPD als Motor des politischen Wechsels zu präsentieren, sollte nun mit einem einzigen Schlag nachgeholt werden. Gerade der Überraschungseffekt dieser bislang nirgends auch nur angedachten rot-grünen Regierungsvariante sollte allen Zweiflern die Entschlossenheit der Sozialdemokraten gegen ein Bonner „Weiter so“ signalisieren.

Um den Eindruck zu zerstreuen, Rot-Grün kalkuliere mit den Stimmen der PDS, wird ans Verantwortungsbewußtsein der Union appelliert. Harte parteipolitische Attacken und Runde-Tisch-Nostalgie, beides geht in Magdeburg derzeit prächtig zusammen. Keiner bringt die Einladung der Konservativen zur Mitarbeit am rot-grünen Pilotprojekt so schön auf den Punkt wie Oskar Lafontaine: Die Union in Sachsen-Anhalt solle jetzt aus der konstruktiven Opposition heraus ihren Reifeprozeß zu einer wirklich demokratischen Partei unter Beweis stellen. Matthias Geis, 7. 7. 94