GABRIELE LESSER ÜBER POLEN NACH OBAMAS-RAKETENSTOPP
: Der amerikanische Traum

In Polen ist wieder einmal ein Traum geplatzt – der Traum von den Sonderbeziehungen zur Weltmacht USA. Anders als die Westeuropäer liebten die meisten Polen den republikanischen Präsidenten George W. Bush. Sie glaubten seine schmeichelnden Lobreden auf „den besten Freund der USA in Europa“. Dass Bush nicht die Deutschen fragte, ob er dort Teile des US-amerikanischen Raketenschilds stationieren könne, wurde als besonderer Vertrauensbeweis gewertet. Polen schien nach Großbritannien zum Hauptverbündeten der USA in Europa aufgestiegen zu sein.

Dass der Raketenschild eine teure und möglicherweise sinnlose Investition der Amerikaner war, interessierte die Polen nicht übermäßig. Das war schließlich nicht ihre Sache. Ihr Ziel war es, eine amerikanische Militärbasis ins Land zu holen. Die USA sollten so dazu gebracht werden, Polen nicht nur als Nato-Mitglied zu verteidigen, sondern direkt betroffen zu sein, wenn das Land sowie die amerikanische Militärbasis angegriffen würden. Die Nato nämlich, davon sind die meisten Polen überzeugt, ist den Namen „Verteidigungsbündnis“ nicht mehr wert. Auch Polens Regierung hat kein großes Vertrauen in die Nato. Sollte Polen angegriffen werden, würden die Nato-Mitglieder wohl zwei Wochen lang diskutieren, was nun zu tun sei, statt zu helfen. Schon im Zweiten Weltkrieg, der in der polnischen Erinnerung nach wie vor sehr präsent ist, waren Frankreich und Großbritannien ihren Beistandsverpflichtungen nicht nachgekommen. Stattdessen marschierten die Sowjets ein. Das sitzt den Polen bis heute in den Knochen.

Ohne Raketenschild wird es auch keine US-Militärbasis in Polen geben. Der Traum von der Schutzmacht Amerika ist damit ausgeträumt. Polen muss nun seine Außen- und Verteidigungspolitik neu ausrichten.