: Keine Angst vor der Langeweile
In der Fernsehsendung „Unsere Elbe. Flussgeschichten mit Wolfgang Stumph“ geht es zu den Menschen, die am Fluss leben – sehr langsam und ein wenig zu lang
Von Wilfried Hippen
Wolfgang Stumph kann sich begeistern: „Aah, guck mal!“, ruft er aus, wenn er auf einer Elbfähre ein süßes Fohlen in einem Anhänger entdeckt. Die Aalsuppe und die Sahnetorte preist er, als hätte er noch nie etwas Besseres gegessen, und er strahlt jedes Mal, wenn er auf die Elbe schaut. Die Fernsehsendung „Unsere Elbe. Flussgeschichten mit Wolfgang Stumph“ ist ganz auf den Schauspieler und Fernsehliebling aus Dresden zugeschnitten. Er trifft eine Reihe von Menschen, die am und vom Fluss leben, und plaudert mit ihnen über ihr Leben und ihre Arbeit.
Dabei will er alles genau wissen. Wann und wie eine junge Frau schwimmen gelernt hat, fragt er. Von einem Flussmeister in Torgau lässt er sich detailliert erklären, wie er die 90 Kilometer Elbdeich unter seiner Verantwortung pflegt und schützt.
Der MDR hat diese Sendung „unter Federführung“ produziert, der NDR war „nur“ als Partnersender dabei – und das merkt man: Beim Mitteldeutschen Rundfunk hat man keine Angst vor der Langeweile. Eine eigentümliche Bräsigkeit herrscht nicht nur bei den vielen Schlagershows des Senders. Das Fernsehen versteht man dort eher als ein Beruhigungsmittel für das Publikum und an diese gewollte Langsamkeit muss man sich auch hier einmal gewöhnen. 89 Minuten ist ein wenig lang für die Besuche, die Stumph entlang des Flusses macht. Und in der Mediathek wird der Film sogar als eine fünfteilige Miniserie präsentiert.
Dabei ist das Konzept, den Fluss vorzustellen durch die Menschen, die an ihm leben, nicht ohne Reiz. In Darchau besitzt die Familie von Rautenkranz einen Gasthof, der Jahrzehnte lang geschlossen bleiben musste, weil sie direkt an der ehemaligen Zonengrenze wohnten, die dort durch den Fluss führte.
Im Alten Land hat Stumph – oder besser die Redaktion für Dokumentarfilme – noch einen Elbfischer gefunden, der in seinen Reusen Aale fängt. In Hamburg-Bergedorf trifft Stumph eine junge Frau, die die kleine Werft für Sportboote ihrer Familie weiterführt und Carina Heckert ist Bootsführerin in Mecklenburg-Vorpommern (Kapitän*innen gibt es nur auf hoher See, lernen wir), die in den Ebbezeiten von Corona bei ihrem Job als Fährfrau eher überqualifiziert war. Ja, die Pandemie wird hier thematisiert. Die Menschen reden darüber, wie schwer es für sie etwa war, einen Campingplatz am Elbufer bei Wittenberg weiterzubetreiben und wie ein anrührend frommer Wunsch klingt der Satz „Wenn jetzt die Zeiten wieder normal werden“.
Der Political-Correctness-Quotient wird hier übrigens übererfüllt, wenn gleich zwei glückliche schwule Paare vorgestellt werden: Der in Dresden geborene Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft, Arne Platzberger, erzählt nur nebenbei von seinem Gatten, aber bei den beiden Tourismus-Kaufmännern Silvio und Jörg, die aus Berlin in einen Bauernhof in Sachsen-Anhalt gezogen sind, ist deren häusliches Glück als Digital-Bohemians wichtiger als der Fluss in ihrer Nähe.
Mit ihnen bastelt Stumph an einer Holzbank, beim Gasthof hilft er in der Küche, auf der Fähre weist er die Autos ein. Er ist immer frohgelaunt und kann gut zuhören, aber etwas wirklich Interessantes wird man hier kaum erfahren – auch wenn Archivmaterial von gleich zwei Elbfluten sowie der Grenzöffnung 1989 gezeigt wird. Aber für einen gemütlichen Fernseharbend ist dies genau das Richtige.
„Unsere Elbe“ wird am So, 3. 10., um 20.15 Uhr zeitgleich im NDR Fernsehen und MDR ausgestrahlt. In der ARD-Mediathek ist er entweder als 90-minütige Dokumentation oder als fünfteilige Miniserie zu sehen
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