Kuckuck auf dem Rathaus

Als erster Gemeinde in Deutschland steht dem brandenburgischen Städtchen Oderberg die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher bevor

Vier Kitas, eine neue Feuerwache – viele Finanzprobleme sind auch hausgemacht

BERLIN taz ■ Im Hauhalt des Brandenburger Landkreises Barnim fehlt Geld. Um das zu bekommen, hat die Kreisverwaltung mehreren Gemeinden mit dem Gerichtsvollzieher gedroht. Solch eine Zwangsvollstreckung von eigenständigen Gemeinden ist rechtlich durchaus möglich – üblich ist sie auf keinen Fall.

Gestritten wird um die so genannte Kreisumlage. Eingezogene Steuern stehen den Gemeinden zu, von denen diese einen Teil dem Landkreis abgeben müssen, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Nun hat zum Beispiel die Stadt Oderberg diese Umlage nicht überwiesen. Es geht um 1,2 Millionen Euro.

Oderberg liegt nordöstlich von Berlin kurz vor der polnischen Grenze. Eine arme Gegend. „Die Gemeinden im äußeren Entwicklungsraum sind von der Finanzausstattung her benachteiligt“, so formuliert es Christian Trill, der Sprecher der Kreisverwaltung Barnim. Und Oderberg liege „im äußersten äußeren Entwicklungsraum“.

Die kleine Stadt hat in den vergangenen Jahren mehr ausgegeben, als sie einnahm. Dem möchte der Landkreis nun ein Ende machen. Auch wenn man Verständnis für die Situation hat. Doch liege nicht alles an der strukturellen Schwäche der Region, einiges sei auch „hausgemacht“. Oderberg hat zu Beginn der 90er-Jahre zum Beispiel ein Gewerbegebiet gebaut, das Rathaus renoviert, vier Kindertagesstätten und das Haus der Feuerwehr erneuert. Für viel Geld. Weder braucht der kleine Ort vier Kitas, noch kamen Unternehmen. Auch die Feuerwehr nutzt die schicke Wache nicht mehr.

Der Städte- und Gemeindebund findet das Vorgehen des Kreises trotzdem unangemessen. Der Landkreis sieht das anders. Rechtlich sei es völlig in Ordnung. Sobald der Bescheid über die Kreisumlage bestandskräftig geworden sei, „können wir ihn auch vollstrecken“. Vielleicht wusste man sich nicht mehr anders zu helfen. Auch der Landkreis braucht Geld.

Ende August habe man nun im Brandenburger Innenministerium einen Termin, bei dem es um mögliche Zwangsmaßnahmen gehen werde, sagte Trill. Welche, das legt das Innenministerium fest. Letzte Konsequenz könnte sein, dass der Kreis die Stadt unter Zwangsverwaltung stellt. „Aber daran denkt hier eigentlich noch niemand“, so Trill.

Der Stadt Oderberg genügte auch schon die Drohung. Man kündigte neue Sparmaßnahmen an. Sämtliche Leistungen, zu denen die Verwaltung nicht verpflichtet ist, werden überprüft.

Dass die ganze Aktion ein Schuss vor den Bug war, will Landkreis-Sprecher Trill „so nicht formulieren“. „Wir wollen hier kein Exempel statuieren.“ Aber es sei durchaus ein positives Ergebnis, dass nun ein „Gedankensprung“ passiere.

Möglicherweise ist es doch ein Exempel. Der Landkreis hat nicht nur gegen mehrere arme Gemeinden wie Oderberg einen Antrag auf Vollstreckung gestellt. Auch zwei Orte im wohlhabenden Speckgürtel von Berlin stehen auf der Liste, Panketal und Bernau. Die haben zwar die Kreisumlage gezahlt, und sie haben auch keine finanziellen Probleme. Doch streiten sie sich mit dem Kreis um andere Gelder. In Bernau zum Beispiel geht es um das einstige Sozialamt. Dafür müsse der Kreis noch für die Jahre 1995 und 1996 Sach- und Personalkosten erstatten. Die habe man mit Forderungen des Kreises verrechnet. Die Sache ist vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Eigentlich wollte der Landkreis so lange nicht vollstrecken, sagt man in Bernau und ist etwas verwundert über den Vollstreckungsantrag. Man hofft, dass er nicht vollzogen wird, und will erst einmal abwarten.

KAI BIERMANN