die woche in berlin
:

Die rot-rot-grüne Koalition muss bei einer Coronaregelung in nur 24 Stunden eine 180-Grad-Wende hinlegen, das neue Schulgesetz setzt den Fokus auf Chancengerechtigkeit und die Bäderbetriebe verlängern den Sommer bis weit in den Oktober

2G bringt R2G durcheinander

Die Koalition blamiert sich bei jüngster Coronaverordnung

Eigentlich war es ein einfaches Detail: Sollen Kinder unter zwölf Jahren, die sich bekanntlich bisher nicht gegen Corona impfen lassen können, auch weiterhin zusammen mit ihren Eltern ins Stadion, ins Kino oder ins Restaurant gehen können, falls deren Betreiber sich für eine 2G-Coronaregelung entscheiden? Offenbar war aber selbst ein Satz wie der vorherige schon zu verworren für die linken und grünen Senator*innen, die vom Wahlkampf, giffeyschen Eskapaden und verspäteten Vorlagen aus der Gesundheitsverwaltung erschöpft am Dienstag einer Regelung eben nicht widersprachen, die genau das vorsah: 2G ohne Ausnahmen.

Das jedoch widersprach allen vorherigen Ankündigungen aus den beiden Parteien. So hatte die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch im taz Talk noch am Montagabend explizit ausgeschlossen, dass Kinder, die schon besonders stark unter den Folgen der Pandemie zu leiden hatten, noch einmal benachteiligt werden dürften. Entsprechend groß war der Shitstorm in den sozialen Medien, der am Mittwochmorgen die Senatsmitglieder wachrüttelte.

Am Ende stand ein rot-rot-grüner Rekord: Die Regelung wurde nach nur 24 Stunden wieder kassiert. Ab Samstag gilt nun: Entscheidet sich ein Restaurant, Kino, etc. für die Option, nur Geimpfte und Genesene einzulassen, dürften – getestete – Kinder bis 12 trotzdem mit.

Dieses bizarre politische Schauspiel in der Hochphase des Wahlkampfs lieferte zugleich die perfekte Vorlage für eine Gesamtbilanz von Rot-Rot-Grün. Alle Fans von morgendlichen Newslettern sahen sich in der auch sonst täglich dargereichten Beschreibung der Koalition als zerstrittener Chaotentruppe bestätigt. Für das konservative Lager war es schlicht ein handwerklicher Fehler von vielen. Und in der linken Blase fragte man sich, wieso R2G mit dieser aktuell gar nicht drängenden 2G-Regelung wieder mal Angriffsfläche für den politischen Gegner bot.

Dass die Koalition bisweilen ein zerstrittenes Bild abgab in den letzten fünf Jahren, lag nicht nur an politischen Differenzen, die zwar vorhanden waren und sind (sonst wäre es ja keine Koalition, sondern eine zwangsverheiratete Einheitspartei). Aber oftmals lagen diese Differenzen nur im Detail. Der Kampf um diese Details wurde nicht nur konsequent ausgetragen, sondern immer wieder sehr früh publik über einen der vielen neuen Kanäle. Normale Verhandlungen, die zum Alltagsgeschäft der Politik gehören, wurden so zum – von den Medien besser zu verkaufenden – Streit. Doch ganz ehrlich: Wenn diese Koalition so zerstritten gewesen wäre wie von vielen behauptet, wie hätte sie die beträchtliche Masse von fast 200 Gesetzen in dieser Legislatur verabschieden können?

Im Falle von 2G war die frühe Intervention via Social Media indes hilfreich; sonst wäre die Korrektur nicht derart schnell erfolgt. Und von Streit spricht in diesem Fall auch niemand, schließlich wurde der Fehler einmütig auf Wunsch von SPD, Grünen und Linken korrigiert. Bert Schulz

„Wenn diese Koalition so zerstritten gewesen wäre, wie gerne behauptet wird: Wie hätte sie dann 200 Gesetze verabschieden sollen?“

Bert Schulz über das Auftreten von Rot-Rot-Grün

Ein letzter progressiver Akzent

Rot-Rot-Grün beschließt last minute die Schulgesetz-Novelle

Viele rot-rot-grüne Gesetzesvorhaben scheiterten zuletzt last minute an Streit in der scheidenden Koalition: Das Mobilitätsgesetz – blockiert von der SPD, die nicht wollte, dass Parkplätze wegfallen zugunsten von Ladezonen für den Lieferverkehr. Die Bauordnung, die einen Fokus auf nachhaltigeres Bauen gesetzt hätte – ebenfalls blockiert von einer SPD, die fürchtete, damit die Immobilienlobby zu verärgern. Beim Schulgesetz hingegen hat sich das Bündnis diese Woche noch mal zusammengerauft und einen (letzten) progressiven Akzent gesetzt.

Natürlich gibt es eine ganze Menge Detailkritik: Berlins Schul­lei­te­r*in­nen­ver­bän­de schimpfen zum Beispiel über mangelnde Beteiligung im Vorfeld, weshalb die Änderungen nun auch „unausgereift“ seien. Da geht es darum, welche schulinternen Gremien nun bei Personalfragen mitentscheiden dürfen.

Es geht auch um so etwas wie die Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss nach der 10. Klasse (MSA), den die Gymnasien am liebsten vom Hals hätten, weil es für ihre SchülerInnen ja eh weitergeht. Doch die Prüfungen gibt es weiterhin, auf Druck von Grünen und Linken. Weil man, wie Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel der taz sagte, ja das „Ziel des langen gemeinsamen Lernens“ habe. Und man „vom Grundsatz her“ schon möchte, „dass man an jeder Schule alle Abschlüsse machen kann“. Keine Extrawurst für die Gymnasien also, heißt das übersetzt.

Das ist auch der rote Faden, der sich durch die am Donnerstag im Abgeordnetenhaus verabschiedeten Änderungen zum Schulgesetz zieht: Es geht um Chancengerechtigkeit. Oder wenigstens den Versuch, die Schule zu einem gerechteren Ort zu machen. Beim MSA ist das vielleicht eher noch Symbolik. Aber es gibt nun auch die Neuerung, dass alle Klassen einmal pro Woche eine Stunde Zeit haben („Klassenrat“), um dort über Probleme und Anliegen der Klasse zu diskutieren. Das ist praktische Demokratiebildung und eine Entscheidung gegen eine Stunde Fachunterricht, die ersatzlos ausfällt – und insofern tatsächlich eine durchaus deutliche, mutige Prioritätensetzung.

Auch Sozialarbeit ist fortan als Standard an allen Schulen. Und die Schulen müssen sich ein Kinderschutzkonzept geben. Das sind Dinge, wo man sich fragen kann: Warum eigentlich erst jetzt? Aber das ist eigentlich auch müßig. Immerhin bleiben jetzt ein paar Dinge gesetzlich festgeschrieben, die auch eine künftig vielleicht konservativere Koalition nicht so schnell wird rückabwickeln können. Anna Klöpper

Einfach mal draußen bleiben

Erstmals haben Freibäder auch bis weit in den Oktober auf

Allen Abgesängen zum Trotz: Der Sommer ist mitnichten vorbei, auch wenn die Vorhersage für die kommende Woche durchwachsene 15 bis 18 Grad verspricht. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass der Sommer sich bis weit in den Oktober hinein immer wieder Bahn brechen kann. Das gab es auch früher schon, aber in den Zeiten des Klimawandels sind die Verhältnisse endgültig auf den Kopf gestellt.

Und trotzdem. Man traute seinen Augen nicht, als am Donnerstag die Pressemitteilung der Berliner Bäder Betriebe (BBB) auf dem Bildschirm aufploppte. Das Kreuzberger Prinzenbad und das Bad im Olympiastadion in Charlottenburg bleiben dieses Jahr bis zum 22. beziehungsweise 24. Oktober geöffnet. Der erste Gedanke war, die haben sich beim Datum verschrieben.

Seit Jahrzehnten ist das so: Egal wie warm es ist, selbst wenn die Temperaturanzeige 30 Grad überschreitet, am Schließtermin ist nicht zu rütteln. Allenfalls eine Woche Verlängerung spendierten die BBB ihrem schwimmfreudigen Publikum in den Outdoor-Anlagen. Allerspätestens in der zweiten Septemberhälfte immer zum Zeitpunkt des Berlin-Marathons war Schluss.

Petitionen, Unterschriftenlisten und Eingaben bis hin zum Sportsenator nutzten nichts. Die sklavische Schließungspraxis war ein Lehrstück für die Unflexibilität der Berliner Behörden. Was musste dafür nicht alles zur Begründung herhalten: kein Personal, kein Licht, zu dunkel und gefährlich.

Erst eine Pandemie musste kommen, damit auch der Amtsschimmel aus der Hüfte kommt. Wenn es nicht so unpassend wäre – fast möchte man Corona dankbar sein. Auch bei den Obdachlosen war es so, dass die im Winter plötzlich in Hostels schlafen durften. Oder bei den Kneipen, die ihre Gäste auf dem Bürgersteigen bewirten können, oder bei den Radfahrern, die auf der Straße eigene Pop-up-Spuren bekamen.

Nun also endlich auch die Freibäder. Das Prinzenbad hat ab Montag täglich von 8 bis 18 Uhr auf, das Olympiabad von 7 bis 21 Uhr. Es gilt wie im Sommer ein Einheitspreis von 3,80 Euro pro Badbesuch. Tickets können online oder an der Kasse des jeweiligen Bades erworben werden.

Ein bisschen klingt es so, als ob sich die Verantwortlichen selbst die Augen reiben. „Es ist ein absolutes Novum in der Geschichte der Berliner Bäder-Betriebe“, heißt es in der Presseerklärung. Mit der Öffnung auch im Herbst „kommen wir den Wünschen vieler Badegäste entgegen“, wird der Vorstandsvorsitzende der BBB Johannes Kleinsorg zitiert.

Aber das ist noch nicht alles. Die längere Öffnung sei ein Experiment, heißt es weiter: Wenn das Angebot gut angenommen werde und auch der technische Betrieb problemlos möglich ist, könne es so etwas auch im kommenden Jahr geben.

Wow, geht doch!

Ab sofort liegt der Ball im eigenen Feld. Schwimmen im Freien ist viel gesünder als in den stickigen Hallen und ein Coronatest ist auch nicht erforderlich. Weicheiern sei gesagt: Fast alle Bassins sind beheizt, die Wassertemperatur beträgt 25 Grad – und in den Duschen gibt es auch überall warmes Wasser. Plutonia Plarre