berliner szenen
: Drei Jahre Händchen­halten

Es ist Nacht und es riecht nach Herbst, während ich durch die kleinen Schöneberger Straßen nach Hause laufe. Die Wege sind menschenleer, lediglich ein paar Hundehalter begegnen mir. Ich ziehe meine Jacke enger um mich und gehe von einem Laternenkegel in den nächsten. Als ich an einer Toreinfahrt vorbeikomme, erschrecke ich mich kurz. Im Dunkeln sitzt ein Typ mit einer Schirmmütze hinter einem Kinderwagen. Er sieht mich an und sagt etwas. Ich gehe weiter, aber nach ein paar Metern raunt es hinter mir: Entschuldigung. Entschuldigung. Hast du vielleicht Feuer?

Ich bleibe stehen und sehe in einiger Entfernung zurück. Der Typ steht neben dem Kinderwagen und schaukelt ihn mit einer Hand, während er mir eine Zigarette entgegenstreckt. Ich gehe zurück und sehe, dass im Wagen ein Baby liegt. Es ist noch sehr klein und hält die Arme neben dem Kopf nach oben abgewinkelt.

Ich suche nach meinem Feuerzeug und reiche es ihm. Er zündet sich seine Zigarette an, reicht mir das Feuerzeug zurück und sieht mich einfach nur müde an.

Danke, das war jetzt meine Rettung. Er sieht in den Wagen und sagt: Er schläft nur im Kinderwagen ein. Sobald man ihn rausnehmen will, wacht er auf.

Ich sage: Mein Sohn ist nur mit meiner Hand in seiner eingeschlafen und wenn ich versucht habe, meine zu lösen, wachte er wieder auf und alles ging von vorn los.

Er nickt und sagt: Genau so. Dann raucht er und ich will schon eine gute Nacht wünschen, aber da fragt er: Und wann war es vorbei?

Nach ein paar – Wochen, sage ich zögernd. Er guckt erleichtert und wir verabschieden uns.

Als ich gehe, denke ich, dass es Jahre waren. Drei Jahre Händchenhalten, Stunden am Kinderbett. Im Nachhinein kommen sie mir wie Wochen vor. Isobel Markus