das portrait
: Wilma Nyari stellt sich zur Wahl

Kann sich mit der Geschichte des Hip-Hop identifizieren: Wilma NyariFoto: privat

Sie habe die Schnauze voll davon, sich in Strukturen zu bewegen, in denen ausschließlich Weiße darüber bestimmen, wer wann wo und wie lange reden darf und etwas zu sagen hat, sagt Wilma Nyari. „Du musst wissen, dass ich schon zweimal an Brustkrebs erkrankt war – da fängst du an zu überlegen, wofür du deine Zeit und Energie einsetzt.“

Und das gelte selbst für die Grünen, für die sie immerhin schon einmal als Landtagskandidatin angetreten ist. Jetzt ist sie die niedersächsische Spitzenkandidatin von „DU, die Urbane“, die sich auch Hip-Hop-Partei nennt. Mit diesem Zusatz hätte sie natürlich auch erst einmal gefremdelt, sagt die 59-Jährige – als Hip-Hopperin versteht sie sich nicht. Aber mit der Geschichte dieser Jugend- und Subkultur als Ausdrucksform von Marginalisierten kann sie sich identifizieren. Außerdem liebt sie den Slogan: „Das einzig gute System ist ein Soundsystem.“

Zur DU gebracht hat sie eine Freundin im Zuge der „Black lives matter“-Demonstrationen und der Debatten, die daraus folgten. Angezogen hat sie, dass diese Kleinpartei die einzige ist, die eine konsequente Quotenregelung für BPoC und andere Gruppen verfolgt, sagt Nyari.

Dass es wichtig ist, den politischen Diskurs zu öffnen, neue Perspektiven einzubringen, davon ist Nyari zutiefst überzeugt – und zwar egal, um welches ihrer Lieblingsthemen es gerade geht: Dekolonialisierung, globale Klimagerechtigkeit, Kultur als Rückgrat der Gesellschaft, bedingungsloses Grundeinkommen, Gemeinwohlökonomie, neue Formen der Bürgerbeteiligung.

Mühelos wechselt die Künstlerin und ­Pädagogin hin und her zwischen schwer akademischen Diskursen und der sehr plastischen Schilderung von Alltagserfahrungen. Man müsse, sagt sie, noch viel mehr Menschen abholen, aber dazu gehören auch andere – respektvollere, würdevollere – Umgangsformen, die sie in der Partei ausprobieren können, aber oft in der weißen Mehrheitsgesellschaft nicht finden.

Ein Bewusstsein zu schaffen für die eigenen Privilegien, Räume zu schaffen, in denen Diskriminierungserfahrungen diskutiert werden können, machtkritische Positionen weiterzuentwickeln – das ist ihr Antrieb. Und dem soll auch das große strategische Ziel bei dieser Bundestagswahl dienen: Wenn die Hip-Hop-Partei 0,5 Prozent der Stimmen abstauben könnte, käme sie in den Genuss der staatlichen Parteienfinanzierung. Nadine Conti