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Renaissance der aromatischen Schote

Kleinproduzenten aus Ecuador drängen mit feinen Schokoladen auf den Weltmarkt. Ein Beispiel ist Kallari, eine indigene Genossenschaft aus der Amazonasregion Napo

Das ist neu: Gourmet-Schokoladen mit eigenem Design

Von Knut Henkel

Das kleine Café im Stadtviertel Mariscal von Quito ist so etwas wie das Schaufenster der Kleinbauern vom Río Napo. „Kallari“ steht in weißen Buchstaben auf den Scheiben, darunter „Chocolates“ und daneben hängt ein Transparent mit Fotos und den wichtigsten Informationen zur indigenen Kakaogenossenschaft Kallari. „Wir haben unseren Laden hier im Zentrum von Quito 2008 eröffnet, um unserem Kakao und unsere Schokolade sichtbar zu machen“, erklärt Edison Grefa.

Der 34-jährige kräftige Mann gehört der indigenen Ethnie der Kichwa an. Er kümmert sich nicht nur um den Direktverkauf im Laden, wo in den Regalen ein gutes Dutzend mit Zeichnungen versehener Tafeln sowie Kakaopulver, Schokoladensplitter und Kakaobohnen angeboten werden, sondern auch um den Export ins Ausland. Dabei fährt die Genossenschaft zweigleisig. Auf der einen Seite wird Kakao zur Weiterverarbeitung im Ausland exportiert, auf der anderen das verarbeitete Produkt – bis hin zur Schokoladentafel. „Anfangs waren die Leute überrascht, weil es neu war, dass eine indigene Genossenschaft nicht nur den Rohkakao produziert, sondern auch Gourmetschokoladen mit eigenem Design anbietet“.

Die drei Klassiker sind in Schwarz gehalten. Ein leuchtend rotes, ein grünes und ein blaues Blatt des Kakaobaums zieren die Tafeln und weisen auf den unterschiedlichen Kakaoanteil von 70, 75 und 85 Prozent hin. Später kam die Sacha-Linie hinzu, in der die Kichwa-Chocolatiers ihr Grundprodukt mit Zutaten wie Kaffee, Chili, Salz oder getrockneter Ananas verfeinerten. Alles in zertifizierter Bioqualität, was natürlich auch für die Kakaobohnen gilt, die von den 850 Genossen in der Amazonasregion von Napo angebaut werden.

Nicht in Monokultur, wie im Süden Ecuadors recht verbreitet, sondern im „Sistema Chakra“, dem traditionellen Anbausystem der Kichwa. „Das ist ein gemischtes Anbausystem im oder am Rande des Regenwaldes. Da stehen neben den Kakaobäumen diverse Obstbäume, medizinische Pflanzen, Heilkräuter, Yucca, Bananen, Vanille oder Paprikaschoten im Schatten der Tropenbäume“, erklärt Grefa.Waldgärten nennen die Kichwa ihr Anbauverfahren. Viele dieser Chakras liegen am Río Napo, sie sind einen halben bis zwei, drei Hektar groß. Auf manchen werden mehr als 60 verschiedene Pflanzen angebaut. Das hat Vorteile, denn Schädlingsbefall ist selten, weshalb das traditionelle System auch von Entwicklungsorganisationen wie der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Region gefördert wird. Davon hat nicht nur die Familie von Edinson Grefa profitiert, die auf insgesamt vier Hektar Lebensmittel und Kakao anbaut. Dank internationaler Unterstützung haben sie ihre Biozertifizierung erhalten. Die hilft vor allem bei der internationalen Vermarktung des Edelkakaos, der in Tena, der Hauptstadt der Amazonasprovinz Napo, verarbeitet wird.

Dort steht der von bunt bemalten Mauern umgebene Verarbeitungsbetrieb der Genossenschaft. Hier arbeitet Kleber Grefa und wendet die dunklen Bohnen in einem Trockenzelt. „In der Ernteperiode zwischen Februar und Juni liefern unsere Genossen ihre Kakaobohnen täglich an. Dann fermentieren die frisch geernteten Bohnen in unseren Boxen aus Lorbeerholz fünf Tage lang. Anschließend landen die Bohnen in den Trockenzelten, werden regelmäßig gewendet, damit sie gleichmäßig trocknen, und danach klassifiziert – nach Größe und Qualität“, erklärt der 47-jährige Kichwa.

Er lässt seine eigene Farm von den Kindern bewirtschaften und arbeitet während der Ernte im Frühjahr am Sitz der Genossenschaft in Tena. Die gibt es seit 1997, seit Dezember 2003 hat sie jedoch neue Strukturen und auch den neuen Namen Kallari. Das bedeutet so viel wie „Anfang“ und steht für den Traum der Genossen, sich mit der Schokoladenproduktion eine eigene Nische aufzubauen. Dabei sind die Kichwa-Familien durchaus erfolgreich, denn ihr Kakao und auch ihr Endprodukt, die kleinen Tafeln, hat die eine oder andere Auszeichnung auf internationalen Kakaomessen erhalten.

Das sorgt dafür, dass nicht nur die Einnahmen der 850 Kallari-Familien steigen, sondern auch die Motivation, die Qualität ihres Produkts zu heben. 400 bis 500 Tonnen werden derzeit produziert. Nicht viel im Vergleich mit den Großen der Branche wie Pacari und República de Cacao, die in den letzten Jahren international auf sich aufmerksam gemacht und zahlreiche Preise abgeräumt haben. Sie sind mitverantwortlich dafür, dass ein traditionelles ecuadorianisches Produkt quasi wiederentdeckt wurde, weil sie sich entschieden haben, Kakao selbst zu verarbeiten und nicht als Rohware zu verschleudern.

„Wenn wir den besten Kakao der Welt produzieren, warum stellen wir dann nicht auch die beste Schokolade der Welt her“, fragte sich Santiago Peralta, der Pionier hinter Pacari, und baute eine eigene Produktionskette auf. Mit mehr als zwei Dutzend internationalen Auszeichnungen ist Pacari längst eine Referenz in der Welt des Kakaos.

Selbst machen, selbst verarbeiten und vermarkten ist auch die Devise der indigenen Kallari-Kakaobauern. Das schafft Arbeitsplätze und erhöht den Lebensstandard in den Kichwa-Dörfern am Río Napo. Dabei hilft auch ein Kallari-Ableger in Deutschland, genauer in Tübingen. Dort lebt Raquel Cayap Tapuy, die mit Kallari-Futuro eine Website mit Shop aufgebaut hat, wo sie über die Genossenschaft berichtet und deren Produkte anbietet.

Die diplomierte Agrarexpertin stammt aus der Region, mehrere ihrer Familienmitglieder produzieren Kakao in der Region und so ist sie quasi zur offiziellen Kallari-Botschafterin in Deutschland geworden. Das hilft der kleinen Schokoladengenossenschaft dabei, nach den USA auch im europäischen Markt Fuß zu fassen.

Doch für die Produktion der aromatischen Tafeln müssen sich die Kichwa-Chocolatiers aus Tena nach wie vor in Quito in der Fabrik Ecuatoriana de Chocolates einmieten. Was fehlt, so Edison Grefa, ist die eigene Anlage. „Starthilfen für nachhaltige Start-ups sind rar in Ecuador“, klagt er. Den Kallari-Genossen fehlt schlicht das Kapital, um die größte Herausforderung für die eigene Zukunft zu meistern.

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