3. weil wir unser Leben an die Klimakrise anpassen müssen, um ihr entgegenzuwirken

Es fängt wieder an. Regen prasselt unaufhörlich. Ganz sanft fing es an. Mittlerweile ist das dumpfe Abfließen über die Regenrinne einem lauten Schlagen gewichen. Erst vergangenen Monat trat das Wasser über die Türschwelle, wie schon die letzten Jahre in erschreckender Regelmäßigkeit. Noch einmal bahnt sich das Wasser seinen Weg. Wo die Wassermassen unsere Erinnerungen fortspülen, wird das Zuhause zur Falle. „Nicht schon wieder“, denke ich. Selbst das, was wiederbringlich ist, werde ich allein bezahlen müssen. Erst im Frühjahr hat es das Haus unseres alten Nachbarn gänzlich zerlegt. Raus hier! Eilig schultern wir unsere Notfalltaschen und hetzen im strömenden Regen zum Auto. Der Asphalt des Parkplatzes ist unter den reißenden Schlammströmen nicht mehr zu erkennen. Wir stellen unser Auto dort schon lange nicht mehr ab, weil die Regenmengen sich über dem versiegelten Boden stauen. Schon wieder waten wir durch das Chaos und hoffen, dass wir die Straße erreichen, bevor es sie fortschwemmt.

Der Regen läuft mir über mein Gesicht und weckt mich. Meine Hand wischt über die Augen, sie bleibt trocken. Ich muss eingeschlafen sein – kein Wasser hier. Mein Blick fällt auf den Kalender: Es ist der 24.August 2031.

Was für ein Albtraum! Hier ständen wir wohl, hätten wir vor 10 Jahren nicht für unsere Forderungen gekämpft. Aber zum Glück hat sich die Bundesregierung nach der Wahl 2021 unter dem Einfluss der Flutkatastrophe im Süd-Westen Deutschlands dem Druck gebeugt. Sie hat wider Erwarten Verantwortung gezeigt, als wir sie gebraucht haben.

Als sich die Krisen überschlugen, haben wir uns darauf zurückbesonnen, was die Grundlage unseres Lebens ist. Wir renaturierten unsere Landschaften, unsere Moore, Auen und Wälder, statt ihr unsere Infrastruktur aufzuzwingen. Wir ließen den Flüssen wieder mehr Raum, ließen der Natur auch im Wald wieder mehr Freiheit, sich von selbst zu entwickeln. Einige Folgen der Klimakatastrophe konnten wir abfedern. Wir passten uns an, stoppten den Flächenverbrauch, der unsere Umwelt beinahe unwiederbringlich deformiert hätte. Heute kaum vorstellbar, dass wir noch im Jahr 2020 täglich Flächen von 52 Hektar für Siedlungs- und Verkehrsflächen ausgewiesen haben – so viel wie 73 Fußballfelder. Die Versickerungsfähigkeit der Böden und die Artenvielfalt wurden wiederhergestellt, unsere Ökosysteme konnten sich stabilisieren und gewannen die nötige Widerstandfähigkeit.

Auch unsere Städte ergrünten, die Erinnerung an die Monotonie steinern versiegelter Plätze verblasst langsam. Wir haben uns auf den Weg gemacht, unsere Städte in „Schwammstädte“ umzubauen: Mehr Grün auf den Dächern, mehr Parks, freie Flächen lassen Wasser schneller in den Boden sickern und nicht so schnell abfließen. Wie in einem urbanen Dschungel florieren überall viele verschiedene Pflanzen und Tiere, die vorher bedroht waren. Mit der Artenvielfalt geht es wieder aufwärts. Denn jedes Flachdach ist ein kleiner Garten und kühlt wie eine Oase seine Umgebung herunter.

Die gemeldeten 32°C lassen sich im Park vor meiner Haustür im Schatten der großen Linden auskosten. Zwei Minuten Fußweg und ich kann meine Beine im kühlen Fluss baumeln lassen. Die einst schmalen Ufer wurden zurückgebaut und ausgeweitet. Nicht nur deshalb tritt der Pegel seither nur noch selten bis in den Straßenraum über.

Der Hochwasserschutz wird auch schon außerhalb der Stadt gedacht. Die Anbindung an frühere Seitenarme, die Rückgewinnung des Auenlands und die Ausweisung zusätzlicher Grünflächen im ganzen Stadtgebiet bieten jetzt ausreichend Rückhalteraum, um Hochwasser vorzubeugen. Die gezielte Entsiegelung und Renaturierung in Stadt und Land hat unser Leben schöner und sicherer gemacht. Die Angst vor dem Wasser hat sich gemildert.

Alice Neubacher, Hinrich Franken